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Hält die vereinbarte Waffenruhe?

Nach einem fast 17-stündigen Verhandlungsmarathon haben Merkel, Hollande, Putin und Poroschenko eine Einigungsformel für den Waffenstillstand in Donezk und Luhansk gefunden. Doch ist die Minsker Einigung kein Grund zur Euphorie.
von Dmitri Stratievski · 13. Februar 2015
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Die Einigung sieht im Wesentlichen so aus: 1. Das Minsker Protokoll und das Minsker Memorandum vom September 2014 behalten ihre Gültigkeit. 2. Am 15. Februar soll das Feuer eingestellt werden. 3. Zugleich soll der Abzug schwerer Waffen beginnen und höchstens zwei Wochen dauern. So soll eine 50-140 km breite Pufferzone gebildet werden. 4. Die Umsetzung des Waffenstillstandes wird eine Aufsichtsgruppe kontrollieren.  Die Anführer beider selbsternannten „Volksrepubliken“ in der Ostukraine haben der Vereinbarung zugestimmt.

Merkels Engagement  hat mehrere Motive

Bereits im Vorfeld wertete man das Minsker Treffen als die letzte Hoffnung auf Frieden. Nach dem Einschalten der Chefdiplomatie war es zum Erfolg verpflichtet: vor allem Merkel und Hollande konnten sich einen ergebnislosen Ukraine-Gipfel nicht leisten. Die deutsche Bundeskanzlerin legte binnen weniger Tage über 20.000 km zurück, besuchte Moskau, Kiew, Washington und Ottawa. Letzten Endes hat Merkels Engagement weitere Motive: Das wirtschaftsstärkste Land Europas und damit auch der EU zeigt sich als souveräner Akteur auf der Weltbühne, der durchaus fähig ist, in den schwersten Konflikten das Krisenmanagement zu meistern.

Das wird ohne Zweifel eine langfristige Wirkung bei den nächsten Verhandlungen mit Russland haben, die Brüssel und Berlin als verlängerten Arm Washingtons verstehen und mehrere Initiativen blockieren. Diese Theorie wurde am Donnerstag dementiert. Darüber hinaus stärkt Merkel ihrer Partei innenpolitisch den Rücken: Am 15. Februar wird die neue Hamburger Bürgschaft gewählt. Die deutsche Wählerschaft zieht die auswärtige Entwicklung traditionell ins Kalkül.

Gewinner des Tages ist Putin. Allein die Tatsache, dass Putin von den westlichen Staats- und Regierungschefs als wichtiger und beinahe unabdingbarer Verhandlungspartner angesehen wird, bricht die stille politische Blockade des Kremls. Dem russischen Einfluss sind im unterschriebenen Dokument die Passagen über die Berücksichtigung besonderer Rechte für die einzelnen ostsukrainischen Regionen und zur Eröffnung der Bankgeschäfte in den Gebieten zu verdanken.

Kein Grund zur Euphorie

Auch die Separatisten können sich mit dem erzielten Kompromiss abfinden: Die ukrainischen Streitkräfte müssten ihre schweren Waffen von der aktuellen Frontlinie abziehen, während für die Armeen der „Volksrepubliken“ die Demarkationslinie vom 19. September 2014 vorgeschrieben wird. Somit bleiben die Landgewinne vom Januar und Februar de facto unter Separatistenkontrolle. Selbst der Gastgeber Aljaksandr Lukaschenko, Präsident Weißrusslands,  machte eine gute Figur: Sein Land wird nicht mehr die „letzte Diktatur Europas“ sondern der Ort des Friedensschlusses genannt. Verloren hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko. Seine Erfolgsliste beinhaltet nur wenige Punkte wie die Freilassung aller Gefangenen.  

„Ein schlechter Friede ist besser als ein guter Krieg“, besagt ein russisches Sprichwort. Trotzdem wirft die Vereinbarung mehr Fragen auf als sie beantwortet. Unklar bleibt das Schicksal der ukrainischen Armeegruppe bei Debalzewo. Wird das Abkommen auch für die paramilitärischen Verbände und Söldner auf beiden Seiten bindend? Was wird an der Front bis Sonntag passieren? Wie soll die Kontrolle des Waffenabzuges genau erfolgen und wie werden die Vertragsbrüchigen bestraft? Die Minsker Einigung ist kein Grund zur Euphorie.

 

 

 

Autor*in
Dmitri Stratievski

ist promovierter Historiker, Politologe und Osteuropa-Experte.

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