Vor der Abstimmung über einen Verbleib der Krim in der Ukraine herrscht auf dem diplomatischen Parkett rege Betriebsamkeit.
Die OSZE kann ihre Mitarbeiter offenbar doch auf die Halbinsel im Schwarzen Meer schicken, um die Abstimmung zu beobachten. Nach einer Mitteilung des Schweizer Botschafters bei der OSZE hat Moskau erstmals Zustimmung erteilt. Verhandlungen mit Russland dazu haben am Donnerstag begonnen. Es wird dabei an 100 Beobachter für die Ukraine gedacht. Mit einer Zustimmung Russlands würden nun alle 57 Mitglieder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa der Mission zustimmen.
Unterdessen versucht der amerikanische Außenminister John Kerry in London, seinen russischen Kollegen Sergej Lawrow davon zu überzeugen, die Abstimmung auf der Krim über die Loslösung von der Ukraine nicht stattfinden zu lassen. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier bezeichnete dieses Treffen als den „vermutlich letzten Versuch“, zu einer politischen Lösung zu kommen. Sollte dies nicht gelingen, erwägt die Bundesregierung eine Absage – mindestens aber eine Verschiebung – des für April in Leipzig vorgesehenen deutsch-russischen Gipfels. Am Montag würden dann von den EU-Außenministern in Brüssel weitere Sanktionen gegen Russland verhängt werden.
Angst vor einer neuen Spaltung Europas
Dazu sagte der neue tschechische Premierminister Bohuslav Sobotka nach einem Treffen mit der Bundeskanzlerin am Donnerstag Abend in Berlin: „Wir möchten dazu kommen, dass wir wirtschaftliche Sanktionen nicht brauchen. Für uns wäre es viel besser, wir würden eine politische Lösung bekommen.“ Sobotka hat sich bei seinem Antrittsbesuch eindeutig zum russischen Vorgehen auf der Krim geäußert: „Wenn ich die vermummten Männer und die Panzer auf der Krim sehe, bekomme ich ein zivilisatorisches Unwohlsein.“ Die Krise in der Ukraine zwinge Europa, sich zu vereinigen. Wer hätte noch vor wenigen Jahren einen solchen Konflikt für möglich gehalten?„Eine erneute Spaltung Europas droht“, warnt der Staatsminister im Auswärtigen Amt Michael Roth bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung:
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte nach einem Treffen mit den vier Außenminister der Visegrad- Gruppe (einer losen Kooperation der mitteleuropäischen Staaten Ungarn, Tschechien, Slowakei und Polen) in Budapest : „Hier sind die Erinnerungen an Budapest 1956, Prag 1968 und Danzig 1981 noch wach. Deshalb schaut man mit einem Gefühl der Besorgnis, mancher auch mit einem Gefühl der Bedrohung, auf die Ereignisse. Wir wollen mit dem Besuch heute auch sagen: Das sind nicht allein ungarische, polnische, slowakische oder tschechische Sorgen, sondern europäische Sorgen und damit auch unsere Sorgen.“ Die deutsche Bundesregierung will keine Konfrontation mit Russland. Ein Vierteljahrhundert nach der europäischen Wiedervereinigung besteht aus ihrer Sicht jedoch die Gefahr einer erneuten Spaltung Europas. „Das ist eine brandgefährliche Situation“, nennt es Steinmeier.
Militärische Drohgebärden
Das bestätigt sich vor Ort: In Donezk, im Osten der Ukraine, hat es bei schweren Zusammenstößen zwischen Gegnern und Anhängern der Übergangsregierung in Kiew den ersten Toten gegeben. Ein 22Jähriger wurde während der Krawalle erstochen, 16 Menschen verletzt. Russland hat entlang seiner Westgrenze zur Ukraine die Militärmanöver ausgeweitet.
Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau üben Panzer-, Artillerie- und Infanterieverbände in den Regionen Kursk, Belgorod und Rostow am Don. Unterdessen hat die Nato AWACS-Aufklärungsflugzeuge nach Rumänien, Polen und Litauen verlegt. Auf der Krim halten sich nach Angaben westlicher Militär etwa 20 000 russische Soldaten auf, darunter Speznaz – Spezialeinheiten. Unter ihren Augen und Waffen wird am Sonntag darüber abgestimmt, ob die Krim sich Russland anschließen wird. Der Ausgang scheint nicht ungewiss.
ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).