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Großbritannien: Was vom neuen Premier Rishi Sunak zu erwarten ist

Rishi Sunak wird neuer britischer Premierminister. Das steht nur vier Tage nach dem Rücktritt von Liz Truss fest. Was von ihm zu erwarten ist und was das für die Labour-Party bedeutet, sagt Thomas Fröhlich vom Londoner SPD-Freundeskreis.
von Jonas Jordan · 24. Oktober 2022
Rishi Sunak wird neuer britischer Premierminister.
Rishi Sunak wird neuer britischer Premierminister.

Der dritte Premierminister binnen weniger Monate: Am Montagnachmittag steht fest, dass der Weg frei ist für Rishi Sunak als neuem starken Mann der britischen Konservativen. Der 42-Jährige übernimmt den Parteivorsitz und wird Nachfolger der am Donnerstag zurückgetretenen Liz Truss. Der frühere Finanzminister hatte das Amt bereits im Sommer angestrebt, damals aber nicht den notwendigen Rückhalt der Parteibasis gefunden. Nun folgt er seiner damaligen Konkurrentin Truss im Amt und wird der jüngste Premierminister seit 1812. Zuletzt hatte Sunaks parteiinterne Kontrahentin Penny Mordaunt ihre Bewerbung zurückgezogen. Am Sonntagabend hatte bereits Ex-Premier Boris Johnson bekannt gegeben, nicht erneut kandidieren zu wollen.

Großbritannien wieder in ruhigeres Fahrwasser

Thomas Fröhlich vom Londoner SPD-Freundeskreis glaubt, dass es Sunak gelingen kann, Großbritannien nach den jüngsten wirtschaftspolitischen Turbulenzen wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Das sei „aus der Perspektive eines normalen britischen Bürgers“ erst einmal eine gute Sache. Denn zuletzt hatten vor allem die massiv gestiegenen Zinsen für Immobilienkrediten vielen Menschen im Vereinigten Königreich zugesetzt. Zugleich mahnt Fröhlich mit Blick auf Sunak: „Wir dürfen nicht vergessen, dass er schon unter Boris Johnson gedient hat und eine ähnliche Ideologie wie er vertritt.“

Daher glaubt der Sozialdemokrat auch nicht daran, dass es Sunak gelingen wird, die massiv zerstrittene konservative Partei wieder zu einen. Den Tories gehe es jedoch ohnehin gar nicht mehr um gemeinsame inhaltliche Positionen, sondern nur noch um den bloßen Machterhalt. Auch aus diesem Grund war schnell klar, dass die nach Truss' Rücktritt von der Labour-Partei und Teilen der britischen Öffentlichkeit erhobene Forderung nach schnellen Neuwahlen unrealistisch sein würde. Denn Umfragen prognostizierten den britischen Konservativen in diesem Fall einen Absturz bis in die politische Bedeutungslosigkeit.

Gewinnt Labour 2024?

Dass Labour diesen Vorsprung von bis zur 35 Prozentpunkten vor den Konservativen bis zu den nächsten Wahlen im Jahr 2024 halten kann, glaubt Fröhlich nicht. Stattdessen traut er Sunak durchaus zu, die Konservativen wieder aus der Talsohle zu führen: „Das untere Ende der politischen Skala ist jetzt erreicht. Insofern erscheint es schwer vorstellbar, dass es noch chaotischer wird“, meint Fröhlich. „Wenn Sunak es schafft, ein gutes Jahr durchzuregieren und das Land zu konsolidieren, haben die Konservativen eine Chance, bei einer Wahl im Mai 2024 an der Macht zu bleiben.“

Mit Blick auf die Labour-Partei und Oppositionsführer Keir Starmer bleibt aus Fröhlichs Sicht zudem abzuwarten, ob es den Sozialdemokrat*innen gelingt, die momentane Geschlossenheit weiter beizubehalten. Denn insbesondere im linken Lager der Partei gebe es eine größere Unzufriedenheit bei denjenigen, die eher den inhaltlichen Positionen des früheren Parteivorsitzenden Jeremy Corbyn anhingen. „Ich hoffe natürlich, dass Labour im nächsten Unterhaus eine Mehrheit schafft, aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass man sich aufgrund innerparteilicher Streitigkeiten auch ganz schnell selbst ein Bein stellen kann“, sagt Fröhlich.

Johnson-Comeback möglich

Sollte den britischen Sozialdemokrat*innen ein Wahlsieg gelingen, hält er im Anschluss daran auch ein politisches Comeback von Boris Johnson nicht für ausgeschlossen. „Er hat durchaus einen langen Atem und könnte dann bei einer möglichen Neuaufstellung der Partei an seinen Erdrutschsieg 2019 erinnern.“ Zumal Johnsons politisches Vorbild der legendäre Premier Winston Churchill ist. Dieser war zunächst von 1940 bis 1945 Premierminister und nach einer sechsjährigen Unterbrechung erneut von 1951 bis 1955.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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