Globale Mindeststeuer: „Damit wird der Wettlauf nach unten gebremst.“
Am Wochenende haben sich die Finanzminister der G7 auf die Einführung einer weltweiten Mindeststeuer verständigt. Bundesfinanzminister Olaf Scholz bezeichnet den Beschluss als „historisch“. Sie sprechen von einer „Zeitenwende für faire Besteuerung“. Was ist an den Plänen so besonders?
Erstmal ist es wirklich revolutionär, dass sich die G7 auf einen Mindeststeuersatz für weltweit agierende Unternehmen geeinigt haben. Damit wird der Wettlauf nach unten gebremst. Selbst innerhalb der EU gibt es ja keinen einheitlichen Körperschaftssteuersatz, was dazu führt, dass einige Länder, wie etwa Irland, Dumping betreiben und damit Firmenansiedlungen befördern. Nicht weniger wichtig ist ein zweiter Aspekt: Gerade Digitalunternehmen erzielen ihre Gewinne häufig in Ländern, in denen sie keine Steuern zahlen. Deshalb machen wir Sozialdemokraten uns ja schon seit langem für eine Digitalsteuer stark. Auch die Besteuerung der Digitalkonzerne wird mit der Einigung der G7 endlich Wirklichkeit.
Von der globalen Mindeststeuer sollen die 100 größten Unternehmen der Welt betroffen sein. Dazu zählen etwa auch Volkswagen und Siemens. Trifft das nicht die deutsche Wirtschaft?
Wenn Unternehmen wie Volkswagen oder Siemens produzieren, werden sie schon jetzt mit einer Gewinnsteuer belegt. Natürlich gibt es auch für solche Fälle Steuervermeidungsmodelle wie wir sie etwa von Ikea kennen, aber wenn irgendwo eine Fabrik steht, die produziert, unterliegt sie dem Steuersystem des jeweiligen Landes. Im digitalen Bereich ist das anders. Das amerikanische Unternehmen amazon hat seinen europäischen Sitz etwa in Luxemburg, wo der Steuersatz extrem niedrig ist. Die Gewinne werden aber im virtuellen Raum bei Kunden etwa in Deutschland gemacht. Versteuert werden sie aber nicht hier. Das ändert die globale Mindeststeuer.
Die USA gelten als der größte Profiteur einer solchen Steuer. In der EU dürfen Deutschland und Frankreich mit Mehreinnahmen in Milliardenhöhe rechnen. Wer wären die Verlierer?
Von der Besteuerung von Gewinnen im virtuellen Raum profitieren alle Industrienationen, weil hier die Kunden von Google, Facebook und Amazon besonders zuhause sind. In weniger entwickelten Ländern wird dagegen weniger im virtuellen Raum erwirtschaftet. Da müssen wir aufpassen, dass sich die Spaltung zwischen den Industrie- und den Schwellenländern nicht weiter vertieft.
Die Hilfsorganisation Oxfam kritisiert bereits, dass die G7-Staaten auf Kosten ärmerer Länder von der Mindeststeuer profitieren würden.
Die Warnung ist sicher nicht aus der Luft gegriffen. Für mich ist sie aber kein Argument gegen eine Mindestbesteuerung. Sicherlich kann man über einzelne Bemessungsgrundlagen auch nochmal sprechen. Insgesamt helfen wir den ärmeren Staaten aber eher, indem wir dort mehr Investitionen ermöglichen. Das könnte man etwa über einen Kompensationsmechanismus erreichen.
Im Juli treffen sich die Finanzminister*innen der G20. Auf Twitter haben Sie geschrieben, dass sei „die nächste Feuerprobe“ für die globale Mindesteuer. Rechnen Sie hier ebenfalls mit einer Einigung?
Es wird sicher intensive Diskussionen geben. Letztlich haben aber auch hier viele Länder Interesse an solch einer Steuer, etwa China, das ja inzwischen auch einige Digitalkonzerne hat, die Gewinne in anderen Ländern erwirtschaften. Dass im Bereich der Mindestbesteuerung etwas passieren muss, ist daher weitestgehend Konsens.
Wann rechnen Sie mit der tatsächlichen Einführung einer weltweiten Mindeststeuer?
Leider kann ich nicht in die Glaskugel schauen. Nach dieser wirklich wichtigen Einigung vom Wochenende ist aber das Treffen der G20 im Juli aus meiner Sicht ein ganz entscheidendes Ereignis. Wenn es auch hier eine grundlegende Einigung gibt, stehen die Chancen, dass es in nicht allzu ferner Zukunft eine globale Mindeststeuer geben wird, recht gut. Die Umsetzung muss dann auf anderer Ebene erfolgen. Weder die G7, noch die G20 oder die OECD können ja Gesetze machen. Da ist dann die EU gefragt. Das Ganze wird also kein Hundert-Meter-Sprint, sondern eher ein Marathon-Lauf.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.