International

Gerüchte, Gespräche und kein Frieden

von Jörg Hafkemeyer · 24. Januar 2014

Einen schnellen Frieden wird es in der Ukraine nicht geben. Eine schnelle politische Lösung auch nicht. Die Krise in Kiew ist eine nationale und eine europäische angesichts der Tatsache, dass sowohl die Regierung als auch die Opposition aufrüsten.

Bei aller Unübersichtlichkeit in der Ukraine, ein paar Dinge stehen an diesem Wochenende fest: Die Regierung in Kiew ist bisher nicht zurückgetreten. Premierminister Mykola Asarow ebenso wenig und Präsident Viktor Janukowitsch schon gar nicht. Das Parlament, in dem er die Mehrheit hat, wird in der nächsten Woche zusammen kommen und die beiden Gespräche der drei Oppositionsführer mit dem Präsidenten sind weitgehend ergebnislos verlaufen. Die Europäische Union versucht bisher ergebnislos zwischen den verfeindeten Seiten zu vermitteln.

Nach wie vor lässt sich der ukrainische Präsident nicht in die Karten schauen. Nun ist die Frage, wie wird es weitergehen angesichts einer sehr angespannten, aggressiven Situation vor allem im Zentrum von Kiew, aber mehr und mehr auch in den Städten im Westen der Ukraine.

Die Wut steigt

Die Opposition und die Demonstrierenden auf dem Europa- und dem Maidanplatz halten alles für möglich. Vor allem, dass Janukowitsch in der kommenden Woche den Staatsnotstand ausrufen, das Internet schließen und Radio sowie Fernsehen abschalten wird. Und da der Präsident bislang keine wesentlichen Zugeständnisse an die Opposition gemacht hat, steigt bei ihr die Frustration und bei vielen Protestierenden auch die Wut. Mehr und mehr von Ihnen sind gewaltbereit, wollen sich nicht länger hinhalten lassen.

Die EU schickt daher am nächsten Dienstag eine elfköpfige Parlamentariergruppe nach Kiew. Die Außenbeauftragte Catherine Ashton wird ebenfalls in die ukrainische Hauptstadt reisen. Ob diese Gespräche helfen werden ist denkbar ungewiss. Jederzeit kann die ukrainische Polizei und die brutale Sondereinheit Berkut wieder gegen die Demonstranten vorgehen. Vitaly Klitschko und die  beiden  anderen Oppositionsführer wollen das unbedingt verhindern, die Außenminister vor allem in Stockholm, Warschau und Berlin wollen das auch.

Eine gewisse Ohnmacht allerdings herrscht auch in Brüssel. Martin Schulz, Präsident des EU–Parlaments, formulierte es im Deutschlandfunk so: " Ziemlich ohnmächtig. Ich habe ... versucht,  mit sowohl Regierungsvertretern als auch mit Oppositionsvertretern zu reden. ... Es ist extrem schwierig von außen  reinzuwirken. Man kann nur hoffen, dass die Vernunft auf beiden Seiten siegt in Kiew. Von außen ist das zur Zeit jedenfalls sehr schwierig. Die Fronten sind richtig verhärtet."

Demonstranten blockieren Kasernen

Martin Schulz glaubt, die ukrainische Regierung geht davon aus, dass Kiew Kiew ist und das Land hinter ihr steht. Gegen diese Annahme sprechen die seit Mitte der Woche eingehenden Berichte aus dem Westen der Ukraine. Vor allem in Lemberg, Riwne und Schytomyr haben Demonstranten Verwaltungsgebäude besetzt. Sie demonstrieren unter dem Ruf "Hier kommt die Revolution". Im Lemberg blockierten sie Kasernen, um die Armeeeinheiten am Ausrücken nach Kiew zu hindern.

Längst geht es der aufgebrachten Opposition nicht mehr nur um die Annäherung ihres Landes an Europa und dessen Institutionen. Sie wollen Neuwahlen und vor allem wollen sie nicht länger den jetzigen Präsidenten. Entscheidend für alle Gespräche, die in nächster Zeit in Kiew geführt werden ist die Haltung der Oligarchen und die ist nicht klar. Bisher nicht. Sie hängen viel mehr an und in den westeuropäischen Finanzströmen und Kapitalmärkten als an den Moskaus und Pekings. Auch wenn öffentlich darüber kaum gesprochen wird, ohne diese Milliardäre wird es eine politische Lösung des Konflikts nicht geben.

Autor*in
Jörg Hafkemeyer

ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).

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