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Gerhard Schröder: US-Präsident Trump will keine Partner, sondern Gefolgsleute

Für Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat das deutsch-amerikanische Verhältnis seit der Präsidentschaft Donald Trumps nichts mehr mit einer Partnerschaft zu tun. Washington versuche, Deutschland zu bevormunden und Gefolgschaft zu erzwingen. So wolle Trump der Bundesrepublik vorschreiben, mit wem sie Handel treiben dürfe.
von Karin Nink · 5. August 2019
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Herr Schröder, Sie haben gesagt, Deutschland dürfe sich nicht in den Konflikt zwischen den USA und dem Iran hineinziehen lassen.  Das wäre „eine nachträgliche Legitimation des Irak-Kriegs.“ Wie meinen Sie das?

Eine Teilnahme an der US-Militärmission würde doch bedeuten, dass man die Politik der USA in der Region unterstützt und damit rechtfertigt. Denn die Konflikte in dieser Region resultieren doch zum größten Teil aus dem Irak-Krieg. Dieser Krieg war ein schwerer Fehler, deshalb haben wir 2003 entschieden, nicht daran teilzunehmen – und wie sich erwiesen hat, zu Recht. Aus dem Irak-Krieg sind zahlreiche neue Konflikte erwachsen, für die am Ende die USA die Verantwortung tragen. Deshalb ist völlig ausgeschlossen, dass Deutschland ein militärisches Vorgehen der USA in dieser Region unterstützt.

Die US-Regierung hat die gemeinsame Haltung gegenüber dem Iran durch den Ausstieg aus dem Atomabkommen einseitig aufgekündigt und verlangt nun öffentlich militärische Unterstützung für einen Kurs, den die Bundesregierung immer abgelehnt hat. Ist das noch Ausdruck von Partnerschaft?

Nein, unser Verhältnis zu den USA hat seit Trump nichts mehr mit Partnerschaft zu tun. Das ist Bevormundung und die Erzwingung von Gefolgschaft. Trump zerstört mutwillig das regelbasierte Weltwirtschaftssystem. Er will uns vorschreiben, mit wem wir Handel treiben dürfen. Das zeigt doch, dass er keine Partner will, sondern Gefolgsleute.

Die frühere britische Regierung unter Premierministerin Theresa May hatte eine ausschließlich europäische Schutzmission am Golf geplant. Hätte Deutschland hier auch „Nein“ sagen sollen?

Nein, an einer rein europäischen Mission hätte Deutschland sich guten Gewissens beteiligen können und sollen. Wir haben doch immer gefordert, dass Europa auch in außen- und sicherheitspolitischen Fragen eine eigenständigere Rolle spielen und mehr Verantwortung übernehmen muss – und das, wo es notwendig ist, auch in Abgrenzung zu den USA. Zusammen mit den europäischen Partnern könnte sich Deutschland für die friedliche Lösung von Konflikten stark machen. Für uns stehen doch Diplomatie und Dialog ganz obenan. Nehmen Sie zum Beispiel das Atomabkommen mit dem Iran. Dass es 2015 zustande kam, war auch Deutschlands Verdienst - dank der geduldigen und hartnäckigen Verhandlungskunst des damaligen deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier.

Die neue britische Regierung unter Premierminister Boris Johnson hat nun eine Kehrtwende vollzogen: Statt auf eine europäische Mission setzt London nun auf eine transatlantische in Zusammenarbeit mit den USA. Ist Europa alleine zu schwach?

Nein, Europa ist nicht zu schwach. Wenn die mit dem Brexit zusammenhängenden Probleme gelöst sind, können wir wieder nach vorne schauen. Und dann müssen die Brücken zu den Briten wieder repariert und gefestigt werden. Großbritannien wird immer ein wichtiger Partner der Europäischen Union bleiben, mit dem man auch zukünftig schwierige außenpolitische Initiativen vereinbaren können sollte. Im Moment ist das schwierig. Aber auch ein Boris Johnson wird nicht auf alle Zeiten Premierminister bleiben.

Welche Rolle kann Europa auch ohne Großbritannien übernehmen, um den Konflikt zu schlichten?

Immer wieder den Dialog suchen und versuchen, die Kontrahenten an einen Tisch zu bekommen. Anders geht es nicht. Nur ein Beispiel: Selbstverständlich sollten Deutschland und die EU mit dem iranischen Außenminister Sarif weiterhin im Gespräch bleiben und mit ihm verhandeln – auch wenn die USA jetzt Sanktionen gegen ihn verhängt und ihm Einreiseverbote erteilt haben.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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