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Geld für erneuerbare Energien statt Atomkraftwerke

Der „Europäischer Fonds für Strategische Investitionen“ soll EU-Mittel sinnvoll verteilen und so das Ansehen der Gemeinschaft in den einzelnen Mitgliedstaaten verbessern. Udo Bullmann erklärt, wie genau das funktionieren soll.
von Udo Bullmann · 23. Juni 2015

Woran liegt es, dass Europa sich heute in derart schwierigem Fahrwasser befindet, dass das Vertrauen in seine Zukunftsfähigkeit schwindet und der Kontinent ökonomisch an Bedeutung verliert? Gerne wird mit dem Finger auf reformlahme Mitgliedstaaten verwiesen, auf die daraus erwachsende wirtschaftliche Lage, Arbeitslosigkeit und politische Spannungen sowie auf in der Krise offenbar gewordene Schwachstellen in der Architektur der Eurozone.

Doch dies ist nur die eine Seite der Medaille: Auch wenn „Brüssel“ und „die EU“ oft zu Unrecht gescholten werden, so müssen sich die Verantwortlichen in Europa heute an die eigene Nase fassen und die Frage zulassen, welchen Anteil sie an der Misere haben. Die Europäische Kommission betreibt seit Jahren Symbolpolitik, und die Mitgliedstaaten stimmen - oft aus falsch verstandenem Eigeninteresse - ein.  Jüngste Beispiele: Die Jugendgarantie und der Pakt für Wachstum und Beschäftigung, die falsch konstruiert wurden, damit stumpf blieben und die Situation so nicht wirklich zum Besseren wenden konnten.

Drei Schritte hin zu einer sinnvollen Investitionspolitik

Das gleiche Schicksal drohte das größte Investitionsprogramm in der Geschichte der EU, der „Europäischer Fonds für Strategische Investitionen“, EFSI, zu erleiden. Die Gründe dafür waren vielfältig.

Erstens: Die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten wollten das bisherige „business as usual“ fortführen und nur solche Projekte fördern, die bereits profitabel sind. Diese Projekte ermöglichen darüber hinaus eine höhere Hebelwirkung und lassen den Fonds erfolgreicher dastehen - auf Kosten eines wirklich nachhaltigen Nutzens. Wir Sozialdemokraten haben unser ganzes Gewicht in die Waagschale geworfen, um den Investitionsplan vom Kopf auf die Füße zu stellen. Wir haben uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass die EU nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft investiert. Die nun gefundenen klaren Auswahlkriterien stellen sicher, dass das Geld nicht in Atomkraftwerke fließt, sondern in erneuerbare Energien und digitale Netze. Nur mit solchen Investitionen werden wir Europa wieder auf den Zukunftspfad zurückbringen, hohe Wachstums- und Beschäftigungseffekte erzielen und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen ins Boot holen.

Zweitens: Um Wachstum und Investitionen in erforderlichem Maß ankurbeln zu können, muss der Topf größer werden. Da kein einziger Mitgliedstaat seine Bereitschaft bekundet hat, direkt in den Fonds zu investieren, haben wir uns dafür stark gemacht, dass es zusätzliche Zustiftungen zum Fonds geben kann, etwa über Förderbanken und Investitionsplattformen. Daneben ist es uns gelungen, Einmalzahlungen der Mitgliedstaaten in Förderbanken und Plattformen als budgetneutral zu gestalten. So haben auch Staaten, die sich in einer schwierigen fiskalischen Lage befinden - wie Portugal, Spanien oder Frankreich -, eine Chance, ihre Investitionslücken zu schließen.

Drittens: Erfolg hat in der Regel viele Väter. Bei Misserfolg schieben sich alle gegenseitig den schwarzen Peter zu. Um dies zu vermeiden, haben wir darauf bestanden, dass Schluss ist mit der Politik des Verschleierns. Wir wollen klare Verantwortlichkeiten bei der Umsetzung des Projekts. Während der Lenkungsausschuss für die strategische Grundausrichtung zuständig ist, muss der Investitionsausschuss die Vergabe der EU-Garantie vornehmen. Darüber hinaus konnten wir Mauschelei bei der Personalauswahl vermeiden: der Geschäftsführer des Investitionsausschusses kann nur mittels demokratischer Mitsprache des Europäischen Parlaments ausgewählt werden. Die Verantwortlichen sind darüber hinaus dem Europäischen Parlament über den Erfolg des Investitionsfonds rechenschaftspflichtig.

Auch, wenn der Investitionsfonds kein Allheilmittel für alle Probleme in Europa ist, so könnte er doch eine Politik mit Weitblick für einen dauerhaften Paradigmenwechsel anstoßen. Vorausgesetzt, wir kümmern uns weiter um die neue Initiative, gerade auch dort, wo wir als Sozialdemokraten politischen Einfluss haben.

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Udo Bullmann
Udo Bullmann

Udo Bullmann ist entwicklungspolitischer Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament (S&D-Fraktion) und Europabeauftragter im SPD-Parteivorstand.

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