International

G20 und Corona: Die doppelte Krise

In der Finanzkrise 2008 konnten die G20 ihre Politik koordinieren – aber wie steht es jetzt um die internationale Kooperation in der Coronakrise? Misstrauen und Machtpolitik haben die Beziehungen über Jahre belastet.
von Jochen Steinhilber · 4. Mai 2020
Videokonferenz der G20 im April: Donald Trump ist (rechts) aus dem Weißen Haus zugeschaltet.
Videokonferenz der G20 im April: Donald Trump ist (rechts) aus dem Weißen Haus zugeschaltet.

„What ever it takes“: Diese drei (entscheidenden) Worte Mario Draghis aus der Eurokrise 2012 bemühten auch die Mitglieder der G20 auf ihrem Treffen Ende März, auf dem sie versprachen, alles Notwendige zu tun, um die Pandemie und die negativen ökonomischen Folgen zu überwinden. Nur: Die globale Bazooka haben die 20 stärksten Volkswirtschaften der Welt noch nicht auf den Tisch gepackt. Bisher fehlt es weitgehend an konkreten Verpflichtungen, aber auch an politischer Führung.

In der globalen Finanzkrise 2008/2009 hat sich die Zusammenarbeit innerhalb der G20 ausgezahlt. Die Gruppe hat es damals geschafft, mit einer koordinierten Politik ein sicheres Fundament unter die taumelnde Weltwirtschaft zu legen. Zehn Jahre später, die durch Misstrauen zwischen den Staaten, durch Machtpolitik zu Lasten internationaler Organisationen und Handels- und Technologiekonflikte geprägt waren, scheinen nun die Beziehungen innerhalb der G20 selbst in Zeiten größter Not nicht mehr flexibel genug zu sein, um gemeinsam reagieren zu können.

Nationale Hilfspakete dominieren die Krise

So wurden die von den G20 angekündigten fünf Billionen Euro, die sie in die Weltwirtschaft investieren wollen, bereits durch die nationalen Maßnahmen einzelner Länder erreicht. Diese summierten sich Mitte April auf 5,4 Billionen US-Dollar, circa 8 Prozent des BIP der G20, wobei der Großteil auf die etablierten Industrieländer entfällt. China hält sich im Vergleich zur Finanzkrise bisher stark zurück, und bei den anderen Schwellenländern sind die Spielräume für fiskalische Maßnahmen aufgrund der massiven Kapitalflucht seit Beginn der Krise und der Verschuldung sehr eng. Hier liegt auch der Knackpunkt bei den Auseinandersetzungen innerhalb der G20: Wie soll den Schwellen- und Entwicklungsländern geholfen werden, die nicht über die eigenen Ressourcen verfügen, die Krise zu überwinden?

Unter dem Druck des IWF haben sich die G20 Mitte April dazu durchgerungen, 77 Ländern bis Ende 2020 ein Schuldenmoratorium zu gewähren und die Zins- und Tilgungszahlungen einzufrieren. Das ist sicherlich ein Erfolg, lässt es doch das dringend benötigte Geld kurzfristig in den Ländern. Zudem haben zum ersten Mal auch Staaten wie China und Indien, die nicht dem Pariser Club von staatlichen Gläubigern angehören, einem Moratorium zugestimmt. Wenn es jedoch nicht zu einer umfassenden Schuldenstreichung kommt, dann ist die Schuldenkrise nicht behoben, sondern nur verschoben. Besonders umstritten ist der Punkt, ob der IWF seine Reservewährung (Sonderziehungsrechte) neu ausgeben darf, um damit effizient den Liquiditätsengpässen in einigen Ländern zu begegnen. Bisher sperren sich vor allem die USA gegen das Vorhaben, weil sie fürchten, dass Teheran und Peking davon profitieren könnten.

USA blockiert Unterstützung der WHO

Auch bei der unmittelbaren gesundheitspolitischen Krisenbekämpfung gibt es einen starken Kontrast etwa zur Ebola-Krise 2014, wo die G20 noch gemeinsam auf den Ausbruch in Westafrika reagiert haben. Zwar sieht der G20-Aktionsplan zu Covid-19 vor, dass internationale Organisationen die Mitglieder unterstützen sollen, sowohl um die gesundheitspolitischen Ziele zu erreichen, als auch um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Dennoch blockierten die USA ein separates Kommuniqué der G20-Gesundheitsminister, das sich für eine Unterstützung der WHO aussprach. Auch hier liegt der Grund in den wachsenden Rivalitäten zwischen China und den USA, die der Weltgesundheitsorganisation eine zu große Nähe zu Peking vorwerfen.

Die G20 wurden für eine robuste multilaterale Antwort genau in solchen Krisenzeiten geschaffen. Im Moment ist das Forum jedoch weniger als die Summe seiner Teile. Sie ähneln eher der G-Zero-Welt (Ian Bremmer), in der keiner mehr fähig oder willens ist, die Führung zu übernehmen. Das wird sich in wenigen Wochen und kurz vor den US-Wahlen nicht substanziell ändern lassen. Dennoch sollten Deutschland in der EU-Ratspräsidentschaft und die europäischen Länder um Italien, das im Dezember den Vorsitz der G20 übernimmt, ein klares Signal aussenden, dass sie auch in der G20 die Restbestände des Multilateralismus verteidigen und die Organisationen schützen werden, die es braucht, um die Folgen der Pandemie zu meistern.

Bazooka für alle? In der Corona-Pandemie gerät die internationale Kooperation unter Druck. Neben den 20 größten Industrienationen (G20), stemmen sich auch die Vereinten Nationen (UN) sowie der Internationale Währungsfonds IWF gegen den Trend.

Dieser Artikel erschien zuerst im IPG-Journal.

Autor*in
Jochen Steinhilber

leitet das Referat Globale Politik und Entwicklung der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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