Fronten zwischen Russland und den USA verhärten sich
„Zustände wie im Kalten Krieg“, „nukleares Säbelrasseln“: Wie schwer wiegen die jüngsten Ankündigungen Wladimir Putins, mehr 40 neue Internkontinentalraketen anzuschaffen wirklich? Wie bewerten Sie diese?
40 neue Interkontinentalraketen bei einem Gesamtbestand von 7.500 russischen Nuklearwaffen, 1780 davon einsatzbereit – das scheint uns nicht in eine neue Qualität von Bedrohung zu führen. Aber es ist ein beunruhigendes Signal: Das wechselseitige Ping-Pong mit immer neuen Zeichen von Konfliktbereitschaft geht weiter und globalisiert den Ukraine-Konflikt.
Wer ist der eigentliche Adressat der Ankündigungen aus Moskau?
Washington.
Die USA kritisieren die Pläne Putins scharf, haben aber selbst angekündigt, schweres Kriegsgerät in östlichen NATO-Staaten stationieren zu wollen. Sehen
Sie einen Zusammenhang zwischen den beiden Vorgängen?
Natürlich. Die russische Seite sieht in der geplanten, übrigens noch nicht entschiedenen, dauerhaften Lagerung von schweren Waffen in Osteuropa für den möglichen Einsatz von 5000 US-Soldaten nicht ohne Grund eine Verletzung der NATO-Grundakte von 1997, die genau solche Dauerstationierungen untersagt. Und prompt erfolgt die Aufrüstungs-Ansage, die mit Russlands Verpflichtungen aus den Abkommen des START-Prozesses kollidiert. Wie Du mir, so ich Dir!
Wie kann eine weitere Zuspitzung der Auseinandersetzungen zwischen Russland und dem Westen verhindert werden?
Wir brauchen so rasch wie möglich eine politische Lösung des Ukrainekonflikts, entlang der Leitplanken des Minsker Pakets, was dann auch eine Aufhebung der Sanktionen gegen Moskau ermöglichen würde. Daraus könnte ein Umkehrschub entstehen, der schließlich zu einer Wiederaufnahme des Ost-West-Dialogs über eine Europäische Sicherheitsarchitektur führen könnte. Leider ist aber im Moment eine bedrohliche Situation bei dem Minsk-Prozess erreicht, weil auf beiden Seiten kein ernster Wille zu erkennen ist, die vereinbarten 13 Punkte auch tatsächlich umzusetzen.
Was kann Deutschland, was kann die EU tun? Wer eignet sich überhaupt noch als Mediator in dem schwelenden Konflikt?
Deutschland spielt bei den Bemühungen um eine politische Lösung des Ukraine-Konflikts eine anerkannt wichtige und konstruktive Rolle. Für unsere Entschlossenheit, allein auf Verhandlungen zu setzen und jeden militärischen Lösungsversuch auszuschließen, brauchen wir weiter den EU-Konsens. Wenn unsere Bemühungen nicht genügend unterstützt werden und scheitern, droht am Horizont ein blutiger „Stellvertreterkrieg“ auf europäischem Boden, bei dem Verlauf und politische Folgen völlig unabsehbar sind.