Französische Sozialisten: Uneins und unbeliebt
Vor ein paar Jahren noch, da wurde François Hollande „Pudding“ genannt. Weil er so weich war und kein Profil hatte – und außerdem ein paar Pfunde zu viel auf den Hüften. Die Pfunde sind mittlerweile weg, ein richtiges Profil hat Hollande aber auch in Jahr drei seiner Präsidentschaft nicht. Dies dürfte ein Grund sein, weshalb der Sozialist so unbeliebt ist wie kein anderer französischer Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg: 76 Prozent der Franzosen finden laut einer Umfrage, Hollande sei ein schlechter Präsident. Noch schlimmer, sogar unter Sympathisanten der Linken und Hollandes Parti Socialiste (PS) teilen 54 Prozent diese Meinung. François Hollande und seine Partei, sie befinden sich in einer Identitätskrise.
Ob der heute beginnende Parteitag der PS in Poitiers daran etwas ändern wird? Die PS hat zumindest das erklärte Ziel, sich selbst ein neues Profil, eine neue Richtung zu geben. Die 131.000 Parteimitglieder waren deshalb aufgerufen, im Vorfeld des Kongresses zwischen vier sogenannten „motions“ (Leitanträgen) zu wählen. So soll über den künftigen Kurs der Partei entschieden werden.
Gemeinsam in die gleiche Richtung?
Durchgesetzt hat sich mit 60 Prozent der Stimmen Leitantrag A des frisch per Urwahl bestätigten Parteivorsitzenden Christophe Cambadélis, „Renouveau socialiste“ (in etwa: Sozialistischer Frühling). Von einem sozialistischen Frühlingserwachen zeugt diese Entscheidung allerdings nicht – Cambadélis und seine Anhänger setzen sich vor allem dafür ein, dass alles so bleibt, wie es ist. Der Kurs aus dem Wahljahr 2012 soll beibehalten, nur korrigiert werden, was nötig ist. Viele Forderungen sind bekannt, etwa die nach Eurobonds und die nach einer Lockerung der Budgetdisziplin in Europa. Der Leitantrag wurde von der Regierung unterstützt, François Hollande freut sich über die eindeutige Entscheidung. Der Öffentlichkeit kann er nun verkünden, dass die PS mitnichten zerstritten und uneinig sei – im Gegenteil, man gehe gemeinsam in die gleiche Richtung.
Ganz so toll, wie Hollande es darstellt, ist das Wahlergebnis für ihn jedoch nicht. Erstens, weil die Wahlbeteiligung eher gering war: 45 Prozent der Parteimitglieder haben nicht abgestimmt. Zweitens, weil die vermeintliche Geschlossenheit eine fragile ist – Leitantrag B „A gauche pour gagner!“ (Nach Links, um zu gewinnen) konnte immerhin fast 30 Prozent der Stimmen auf sich versammeln, ein Achtungserfolg. Christian Paul, Erstunterzeichner der Motion B, ist außerdem niemand, der sich mit seiner Niederlage einfach so zufrieden gibt. Der Abgeordnete aus dem Département Nièvre gehört den sogenannten „frondeurs“ an, einer Gruppe sozialistischer Abgeordneter, welche die Regierung scharf kritisiert. Insbesondere die Maßnahmen des Premierministers Manuel Valls stoßen dort auf wenig Gegenliebe, weil sie als zu wenig fortschrittlich empfunden werden.
Durchwachsene bis schlechte Bilanz
François Hollande hat sich zu Beginn seiner Amtszeit als Reformer inszeniert, viel versprochen – und nur wenig davon umgesetzt. Zwar wächst die Wirtschaft, Arbeitslosigkeit und Schulden steigen aber. Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit ist schlecht, die französischen Unternehmen haben kein Vertrauen in die Regierung. Nicht alles davon kann allein Hollande angelastet werden. Insbesondere sein Vorgänger Nicolas Sarkozy trieb die Staatsschulden fleißig in die Höhe, innenpolitische Reformen werden seit Jahren, eher Jahrzehnten, verschleppt. Immerhin gelang es Hollande in seinem ersten Amtsjahr, Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zusammenzubringen, um über die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zu diskutieren. Der Glanz dieser Tat – Gewerkschaften und Arbeitgeber stehen sich in Frankreich feindlich gegenüber – ist allerdings längst verblasst und Hollande schaffte es nicht, weitere Großprojekte anzugehen.
Angesichts dieser durch und durch durchwachsenen bis schlechten Bilanz verwundert es, dass die PS an ihrem bisherigen Kurs festhalten will. Reformfreudige Präsidenten sind in Frankreich generell unbeliebt – keine Reformen durchzuführen und trotzdem so dermaßen unbeliebt zu sein wie Hollande, das muss man aber erstmal schaffen. Bei den Départementswahlen im März musste die PS eine herbe Niederlage einstecken, die zweite nach den Kommunalwahlen im letzten Jahr. Nur noch 34 von 101 Departements werden nun von den Sozialisten regiert, vorher waren es 60. Viele sozialistische Hochburgen fielen. Als Reaktion tat Hollande das, was französische Präsidenten immer tun, wenn sie Durchsetzungskraft beweisen müssen: Er tauschte seinen Premierminister sowie ein paar Mitglieder des Kabinetts aus.
Konkurrenz von rechts
Gebracht hat es offenbar nichts. Vor ihrem Parteikongress ist die PS uneins, unbeliebt und ohne Vision für die Zukunft Frankreichs. Und die Konservativen unter dem ehemaligen und vielleicht auch zukünftigen Präsidenten Nicolas Sarkozy greifen an: Ehemals Union pour un Mouvement Populaire (UMP), hat sich die Partei nun offiziell in Les Républicains (Die Republikaner) umbenannt. Führungsstreits und Skandale sollen so vergessen gemacht, ein Neuanfang signalisiert werden. Linke Politiker versuchten per gerichtlichem Eilantrag, den Namenswechsel zu verhindern Ihr Vorwurf: Die Konservativen würden mit dem neuen Namen die Werte der Republik vereinnahmen. Von ganz rechts greift der Front National an. Im für die PS ungünstigsten Fall könnte Hollande es bei der Wahl 2017 nicht in den zweiten Wahlgang schaffen – dann würde die Rechtspopulistin Marine Le Pen auf den Kandidaten der Konservativen treffen. Bisher hat die PS keine Strategie gefunden, der zunehmenden Popularität des Front National zu begegnen. Das ist nicht nur ein Problem für Frankreich, es wird auch zu einem für Europa.