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International

Frankreichs PS muss schwere Schlappe einstecken

von Lutz Hermann · 01. April 2014

Frankreichs Präsident Francois Hollande hat Konsequenzen aus der Wahlschlappe der Sozialisten (PS) bei den Kommunalwahlen gezogen. Premierminister Jean-Marc Ayrault musste gehen. Ihm folgt der in der eigenen Partei und bei dem Koalitionspartner höchst umstrittene Innenminister Manuel Valls in das Amt.

Hollande hatte in einer Fernsehansprache an die Nation am Montagabend zur besten Sendezeit seinen im Januar verkündeten sozialdemokratischen „Pakt der Verantwortung“ bekräftigt, ihn aber um einen „Pakt der Solidarität“ ergänzt. Er wolle an seinen Plänen festhalten, die Steuerbelastung für Unternehmen zu senken, um Arbeitsplätze zu schaffen, sagte Hollande. Er versprach aber auch, mit dem zweiten Pakt die Ausbildung der Jugendlichen zu verbessern, die soziale Sicherheit und die Gesundheitsversorgung zu garantieren und schließlich auch noch Steuerentlastungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Mit Manuel Valls beginne „eine neue Etappe“. Er soll den wirtschaftsfreundlicheren Kurs des zaudernden Präsidenten nun durchsetzen.

Ayrault als Bauernopfer

Ayrault hatte schon am Sonntagabend Verantwortung für die Wahlschlappe übernommen. Zu diesem Zeitpunkt wurde noch von einer größeren Kabinettsumbildung spekuliert, die Hollande als Konsequenz anstrebe. Zunächst aber wurde nur der germanophile Ayrault das Bauernopfer des schwachen und unpopulären Präsidenten. 

Ob es Valls wirklich gelingt, die dringend notwendigen Reformen in Frankreich umzusetzen, wird sich noch zeigen müssen. Der 51-Jährige gilt nicht als sonderlich diplomatisch, um seine Ziele zu erreichen, sondern eher als brachial. Er ist der Lieblingsfeind der PS-Linken und der französischen Grünen. Deren Vetreterinnen im Kabinett haben schon angekündigt, nicht mit Valls zusammenarbeiten zu wollen. Was Valls’ Ehrgeiz und seine innenpolitische Hardliner-Haltung angeht, ähnelt der Sohn von spanischen Zuwanderern Hollandes Vorgänger im Präsidentenamt, Nicolas Sarkozy - Kind ungarischer Migranten. Mit Sarkozy verbindet ihn auch das schon früh nachgesagte Streben nach dem Präsidentenamt - was auch Hollande gefährlich werden könnte.

Doch bei den Wählerinnen und Wähler ist Valls populär. Allerdings können die guten Umfragewerte schnell verblassen, wenn es ans Eingemachte geht. Valls gilt als Gegner der 35-Stunden-Woche und der Rente mit 60 - soziale Heiligtümer der Franzosen. 

Anne Hidalgo gewinnt Paris

Bei der Stichwahl der Kommunalwahlen am vorigen Sonntag haben die Sozialisten in 155 Städten mit mehr als 9.000 Einwohnern die Mehrheit der Stadt- und Gemeinderatssitze an die Rechten verloren. Bei einer niedrigen Wahlbeteiligung in beiden Wahlgängen gingen elf Gemeinden an den rechtsextremen Front National. Einige Großstädte wie Lyon, Lille, Straßburg, Dijon und Avignon konnte die PS halten, andere Hochburgen wie Toulouse, Quimper, Reims, Nimes  gingen an die Rechten. Paris als Trendsetter gewann die Sozialistin Anne Hidalgo, seit 2001 stellvertretende Bürgermeisterin der Metropole, mit 55 Prozent aller Stimmen.

Die Niederlage bei den Kommunalwahlen als solche macht das Regieren für Hollande zwar nicht schwerer. Denn die Linke hat nach wie vor sowohl in der Nationalversammlung als auch im Senat eine ausreichend große Mehrheit. Der Verlust bei den Kommunalwahlen bestärkt aber das Image eines schwachen Präsidenten, der das Land in den ersten 22 Monaten seiner Amtszeit nicht vorangebracht hat und fest im Umfragetief sitzt. So wurde seine regierende Linke wegen ihrer umstrittenen Sozial- und Wirtschaftspolitik abgestraft.

Drei Tage vor der Stichwahl etwa waren erneut alarmierende Arbeitslosenzahlen bekannt  geworden, eine Zunahme der Erwerbslosen (3,4 Mill.) von 1 Prozent. Im Mittelpunkt der Kritik gegen Hollande stehen ein desaströser Arbeitsmarkt, hohe Lohnstückkosten in der Industrie, Steuererhöhungen, die jeder Bürger zu spüren bekommt sowie die Zurückhaltung der Arbeitgeber,  jungen Menschen Ausbildung und Beschäftigung anzubieten.

Vor der Europawahl sah Hollande sich folglich zum Handeln gezwungen, um seine Präsidentschaft zu retten. Viel Spielraum bleibt dem Mann im Elysée-Palast jedoch nicht.  

 

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Autor*in
Lutz Hermann

ist Auslandskorrespondent in Frankreich für verschiedene Tageszeitungen und Autor mehrerer politischer Bücher, u. a. „Willy Brandt – ein politisches Porträt“ (1969).

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