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Frankreichs neuer Präsident Macron: „Die Aufgabe ist riesig“

Emmanuel Macron ist zum neuen Präsidenten Frankreichs gewählt worden. Doch nach seinem Sieg beginnt bereits das Tauziehen um die Parlamentsmehrheit. In wenigen Wochen findet die Parlamentswahl statt.
von Christine Longin · 8. Mai 2017
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Emmanuel Macron hat Frankreich einen ersten Gänsehaut-Moment beschert. Unter den Klängen der Europa-Hymne durchschritt der frisch gewählte Präsident am Wahlabend um 22.35 Uhr den Platz vor dem Louvre. Eine Inszenierung, die an François Mitterrand erinnerte. Mit der Pyramide des weltberühmten Museums im Rücken sprach der jüngste Staatschef des Landes dann zu seinen rund 10.000 Anhängern. „Ihr habt gewonnen. Frankreich hat gewonnen“, rief der 39-jährige bekennende Europäer der Menge vor der beeindruckenden Kulisse zu. Von der ersten Minute an machte der sozialliberale Wahlsieger klar, dass er sich der Verpflichtung bewusst ist, die da auf ihm lastet. „Dieses Vertrauen verpflichtet mich, euch nicht zu enttäuschen, auf der Höhe der Verantwortung zu sein.“

Die Fähigkeit zu Reformen

Mit 66,1 Prozent hatte der frühere Wirtschaftsminister die Stichwahl gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen gewonnen, die mit 33,9 Prozent deutlich unter der Erfolgsmarke von 40 Prozent blieb. Das Ergebnis fiel damit noch deutlicher aus, als es die Umfragen zuletzt vorhergesagt hatten. „Man bemerkt, dass es die Fähigkeit zu Reformen ist, die die Entscheidung der Wähler geprägt hat“, sagte der Meinungsforscher François Miquet-Marty der Zeitung „Libération“. „Auf dieser Grundlage kann er eine breite Mehrheit in der Nationalversammlung gewinnen.“

Die Parlamentswahlen schließen sich im Juni als „dritte Runde“ der Präsidentschaftswahlen an. Macrons Bewegung „En Marche“, die sich als „weder rechts noch links“ versteht, will in allen 577 Wahlkreisen Kandidaten aufstellen. Unter den Sozialisten (PS) sprach sich mit Ex-Regierungschef Manuel Valls bereits ein prominentes Parteimitglied für eine Zusammenarbeit mit Macron aus. Jean-Christophe Cambadélis rief seine Partei deshalb noch am Wahlabend zur Geschlossenheit auf. „Das Land braucht alle seine Kinder und vor allem die der Linken“, sagte der PS-Chef, der schnell alle sozialistischen Kandidaten für die Parlamentswahl zusammenbringen will.

Le Pen will erste Oppositionskraft sein

Le Pen machte schon kurz nach der Veröffentlichung der ersten Hochrechnungen klar, dass sie die Opposition gegen den neuen Staatschef anführen will. „Wir werden die erste Oppositionskraft sein“, kündigte die Chefin des Front National in ihrer Rede am Wahlabend an. Dazu will die 48-Jährige die von ihrem Vater gegründete Partei reformieren, die auch einen neuen Namen bekommen soll. Auch wenn die EU-Gegnerin ihr intern gestecktes Ziel von 40 Prozent nicht erreichte, bescherte sie dem FN doch mit 10,6 Millionen Wählern das beste Resultat überhaupt. Damit verdoppelte sie praktisch das Ergebnis von Jean-Marie Le Pen, der 2002 in der Stichwahl gegen Jacques Chirac 5,5 Millionen Stimmen bekommen hatte. „Auch wenn das Ergebnis nicht sehr hoch ist, zeigt es doch, dass es in der Bevölkerung eine echte Lust auf Rechtsextremismus gibt“, warnte der Historiker Nicolas Lebourg in „Libération“.

Macron richtete sich in seiner Ansprache am Louvre auch an die Wähler des FN. „Ich werde alles tun, damit es keinen Grund mehr gibt, die Extremisten zu wählen“, sagte er vor seinen meist jugendlichen Anhängern, die bei der Erwähnung des Front National Buhrufe ausstießen. Und wie in seinen Wahlkampfkundgebungen entgegnete der frisch gewählte Staatschef: „Pfeift sie nicht aus“. Der frühere Banker weiß, dass er seit Sonntag um 20.00 Uhr ich mehr Kandidat, sondern Präsident aller Franzosen ist. Dazu gehören nicht nur die Wähler des FN, sondern auch diejenigen, die bei der Stichwahl zu Hause geblieben sind. Die Wahlbeteiligung lag mit 74 Prozent so niedrig wie selten. Dafür erreichte die Zahl der leeren Wahlumschläge mit vier Millionen einen neuen Rekord. „Die Aufgabe ist riesig“, gab der neue Präsident in seiner Ansprache am Louvre zu. „Sie besteht darin, eine Mehrheit zu bilden. Eine Mehrheit des Wandels.“

Autor*in
Christine Longin

Christine Longin begann ihre journalistische Laufbahn bei der Nachrichtenagentur AFP, wo sie neun Jahre lang die Auslandsredaktion leitete. Seit vier Jahren ist sie Korrespondentin in Frankreich, zuerst für AFP und seit Juli für mehrere Zeitungen, darunter die Rheinische Post.

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