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Frankreich: Was ein Ende im Linksbündnis für kommende Wahlen bedeutet

Der Nationale Rat der französischen Sozialisten hat ein „Moratorium“ für die Mitarbeit im Linksbündnis NUPES beschlossen. Das hat Konsequenzen: auch für die kommenden Wahlen.
von Kay Walter · 19. Oktober 2023
Olivier Faure, Erster Sekretär der Parti socialiste bei einer Kundgebung zur Unterstützung des israelischen Volkes
Olivier Faure, Erster Sekretär der Parti socialiste bei einer Kundgebung zur Unterstützung des israelischen Volkes

Am Dienstagabend um kurz vor acht trat dann der Generalsekretär der französischen Sozialisten vor die Mikrofone der Journalist*innen, um das Ergebnis einer Abstimmung im Nationalen Rat seiner Partei über die weitere Zusammenarbeit im Linksbündnis Nouvelle Union populaire écologique et sociale (NUPES) zu verkünden.

Streit um Angriff auf Israel

Jedes einzelne Wort von Olivier Faure schien zur Feinabstimmung auf der Goldwaage gelegen zu haben. „Wir werden nicht länger an der Intergoupe NUPES teilnehmen“, sagte Faure. Doch wer danach Begriffe wie Ende, Austritt oder Bruch erwartete, sah sich enttäuscht. Faure verkündete ein Moratorium, ein zeitweiliges Aussetzen der Zusammenarbeit, weil „man den Blick auf die (linke) Einheit, der im ganzen Land existiere, nicht aus den Augen verlieren wolle“.

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Hintergrund ist die vehemente Weigerung von NUPES-Chef Jean-Luc Mélenchon, die Hamas als terroristisch zu bezeichnen und den mörderischen Angriff auf Israel zu verurteilen. Mehrfach hatten Mélenchon und Getreue seines linksradikalen La France insoumise (LFI) wörtlich erklärt, Israel trüge die Schuld am Geschehen. Das Land führe Krieg gegen die Palästinenser, die daher jedes Recht hätten, sich zu wehren, mit welchen Mitteln auch immer.

Der Zentralrat der Kommunisten hatte daraufhin NUPES als Sackgasse bezeichnet. Solche Aussagen seien nicht hinzunehmen und es sei geboten, „diese Seite linker Zusammenarbeit umzuschlagen und eine neue zu schreiben“. Der Beschluss fiel mit 93 Prozent Zustimmung.

Zeitweilige Pause der Zusammenarbeit

Anders die Sozialisten. Ihr internes Votum fiel mit 150 gegen 126 Stimmen eher knapp aus. Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris und Nicolas Mayer-Rossignol, Bürgermeister von Rouen hatten für einen klaren und entschiedenen Bruch argumentiert. Die Parteispitze folgte ihnen nicht, sondern votierte für ein entschiedenes sowohl-als auch. Pause oder eben Moratorium für die Zusammenarbeit im Parlament.

Offenbar hat sich die Spitze der Parti socialiste (PS) nicht oder nur unzureichend klar gemacht, was das praktisch bedeutet. Keine geregelte Zusammenarbeit mehr, heißt auf der einen Seite: weniger Rechte und auch weniger Redezeit in Parlament und Ausschüssen. Auf der anderen Seite hat es NULL Einfluss auf Mélenchon. Der ist eh nicht Mitglied der Fraktion, sondern dirigiert das Ganze autokratisch von Außen. Ein Moratorium erhöht nicht den Druck auf ihn. Im Gegenteil, es setzt ihn aus, nimmt ihn also weg.

Den Frauen und Männern um Olivier Faure schwebt eine einheitliche linke NUPES vor, allerdings ohne Jean-Luc Mélenchon, ohne dessen selbstherrlichen Führungsstil und seine abstrusen Positionen, nicht nur zu Hamas, sondern zum Beispiel auch zum Krieg in der Ukraine. Der Gedanke  ist ehrenwert. Allein: das wird es nicht geben. NUPES ist ein Konstrukt von und für Mélenchon.

Hollande: NUPES ist „historischer Irrweg“

Das „Bündnis“ ist komplett auf seine Person zugeschnitten. Alle anderen Parteien, ob Sozialisten, Grüne oder Kommunistischen haben sich ihm untergeordnet und sich in eine fatale Abhängigkeit begeben. Nicht ohne Grund hat der letzte sozialistische Staatspräsident Frankreichs, Francois Hollande, die NUPES von Anfang an als „historischen Irrweg“ bekämpft. NUPES sei keine linke Einheit, sondern Selbstaufgabe.

Selbst die Mitglieder von Mélenchons La France Insoumis LFI verstehen den Beschluss der PS nicht, ja lachen darüber. „Einen klaren Bruch hätten wir verstanden. Aber wenn sie (die PS) glauben, der Abschied von Jean-Luc stünde auf der Tagesordnung, müssen wir sie enttäuschen. Das wird es nicht geben“, heißt es aus ihren Reihen.

Für die französische Linke verheißt das wenig Gutes. Ob es bei den Europawahlen im kommenden Frühjahr überhaupt zu einer gemeinsamen Kandidatur kommen wird oder ob alle Parteien einzeln und für sich antreten, stand sowieso noch nicht fest. Nun ist es noch unwahrscheinlicher geworden. Die PS hat gestern jedenfalls alle Druckmittel abgegeben. Die Abhängigkeit von Mélenchon ist nur noch größer geworden. Und das bei Wahlen, in denen schon traditionell Marine Le Pens rechtsradikale Partei ihr stärktes Ergebnis einfährt.

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Kay Walter

ist freiberuflicher Journalist in Paris.

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