Frankreich: Beim Thema Euro gerät Le Pen ins Schleudern
Frankreich hat vor den Präsidentenwahlen große Fernsehduelle erlebt. Dialoge, die in die Geschichte eingingen. Nicht so bei der Fernsehdebatte zwischen den beiden Kandidaten für die Stichwahl am Sonntag: Emmanuel Macron und Marine Le Pen. Von den zwei Stunden und vierzig Minuten bleibt die Erinnerung an ein verbales Dauergefecht, bei dem Le Pen sich in Beschimpfungen auf Stammtischniveau erging, die ihr Rivale mit konkreten Zahlen und geschickten Gegenfragen parierte. „Wut und Vernunft“, kommentierte die Zeitung „Figaro“ hinterher.
Macron führte Le Pen vor
Die Chefin des Front National, die laut Umfragen die zweite Runde mit 40 zu 60 Prozent verlieren dürfte, startete ihren Auftritt gleich in der ersten Minute mit einem Frontalangriff auf ihren Rivalen: „Sie sind der Kandidat der wilden Globalisierung, der sozialen Brutalität“, warf sie Macron mit der Aggressivität eines Donald Trump vor. „Ihre Strategie besteht nur darin, viele Lügen zu erzählen und zu sagen, was nicht läuft. Aber sie schlagen nichts vor“, entgegnete Macron seinerseits. Den Vorwurf der Lüge wiederholte der sozialliberale Kandidat der von ihm gegründeten Bewegung En Marche mehrmals. Zu Recht, denn die Zeitung „Le Monde“ zählte hinterher 19 falsche Angaben Le Pens auf.
In Fahrt geriet der frühere Wirtschaftsminister beim Thema Arbeitslosigkeit, wo der 39-Jährige die Rechtspopulistin regelrecht vorführte. Als diese den Verkauf des Telefonanbieters SFR und des Zugbauers Alstom verwechselte, bemerkte der unabhängige Kandidat nur süffisant: „Die einen machen Telefone und die anderen Turbinen. Sie bringen beide durcheinander.“
Höhnisches Gelächter
Ins Schleudern geriet die Kandidatin auch beim Thema Euro. Nachdem Le Pen jahrelang einen Ausstieg aus der EU und der Gemeinschaftswährung gefordert hatte, schlug sie am Wochenende zwei parallele Währungen für Frankreich vor: eine für Unternehmen und eine für Privatleute. „Ein großes Unternehmen kann nicht einerseits in Euro handeln und andererseits in Franc seine Löhne zahlen. Das geht nicht, Frau Le Pen“, erklärte Macron der Kandidatin. Die nutzte das Thema Europa, um ihren Rivalen wegen seiner Nähe zu Deutschland zu kritisieren: „Frankreich wird in jedem Fall von einer Frau regiert: von mir oder von Frau Merkel“, ätzte sie.
Die 48-Jährige, die Macron häufig mit Zwischenrufen und höhnischem Gelächter unterbrach, hatte im Gegensatz zu ihrem Gegenüber nicht die passenden Zahlen parat. Immer wieder musste sie in den bunten Mappen, die vor ihr auf dem Tisch lagen, nach Informationen suchen. Die Kandidatin beschränkte sich deshalb meist darauf, Macron persönlich anzugreifen. Dabei zielte sie vor allem auf die Tatsache, dass der Polit-Neuling zwei Jahre lang Wirtschaftsminister unter dem Sozialisten François Hollande war. „Sie sind die Fortsetzung von Hollande und zeigen die Kälte des Investmentbankers, der Sie immer noch sind“, teilte die FN-Chefin wie auf einer Wahlkampfveranstaltung aus.
Rund 16 Millionen Zuschauer
Mit ihren pauschalen Attacken schien die Kandidatin sich bereits auf die Rolle als Oppositionsführerin vorzubereiten. Denn ein Projekt für ihre Präsidentschaft blieb Le Pen den Fernsehzuschauern schuldig, von denen rund 16 Millionen den Schlagabtausch verfolgten. In der Debatte ging es vor allem darum, die noch unentschlossenen Wähler zu gewinnen, deren Anteil bei 18 Prozent liegt. Der Fernsehauftritt Macrons überzeugte laut einer Umfrage hinterher 63 Prozent der Zuschauer, während 34 Prozent Le Pen vorne sahen.
Auch wenn der Ex-Banker damit als Sieger aus dem Duell hervorgeht, hat er bereits einen Vorgeschmack auf das bekommen, was ihm als Präsident droht: eine tägliche Auseinandersetzung mit den dumpfen Parolen des Front National. „Dieser Nahkampf hat gezeigt, was die Rechtsextreme in Frankreich ist“, schrieb „Le Monde“.
Christine Longin begann ihre journalistische Laufbahn bei der Nachrichtenagentur AFP, wo sie neun Jahre lang die Auslandsredaktion leitete. Seit vier Jahren ist sie Korrespondentin in Frankreich, zuerst für AFP und seit Juli für mehrere Zeitungen, darunter die Rheinische Post.