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Flüchtlingspolitik: Mehr Zusammenarbeit in Europa statt rechtem Populismus

Europa müsse Spanien bei der Bewältigung der Flüchtlingslage unterstützen, fordert Achim Post, der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion. Man dürfe das Land nicht allein lassen, wie zuvor Italien oder Griechenland. Es brauche mehr Solidarität in Europa.
von Lars Haferkamp · 13. August 2018
Achim Post, Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion
Achim Post, Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion

Achim Post, CDU und CSU loben die Spanien-Reise von Frau Merkel als Erfolg. Wie ist Ihre Einschätzung?

Es ist natürlich richtig, in der aktuellen Lage das Gespräch mit der spanischen Regierung zu suchen. Ich hätte mir allerdings schon erhofft, dass Kanzlerin Merkel mit etwas mehr als nur warmen Worten im Gepäck nach Spanien gereist wäre. Es muss jetzt darum gehen, konkrete gemeinsame Lösungen zu finden und praktische Solidarität zu organisieren. Im europäischen Umgang mit der Flüchtlingssituation in Spanien wird sich zeigen, ob Europa in der Lage ist, aus Fehlern zu lernen. Europa muss es jetzt besser machen, als im Fall von Italien oder Griechenland, die viel zu lange mit den Herausforderungen durch Flucht und Migration allein gelassen worden sind.

Merkel und Spaniens Ministerpräsident Sanchez wollen die südeuropäische Seegrenze besser absichern, etwa durch eine finanzielle Unterstützung Marokkos. Was bedeutet das konkret?

Die spanische Regierung wird hierzu Gespräche mit der Regierung in Marokko führen, um Lösungen auszuloten, etwa auch um das Vorgehen gegen Schlepperbanden besser zu koordinieren. So richtig es ist, die Zusammenarbeit mit Marokko und anderen nordafrikanischen Staaten auszubauen. Dies darf nicht auf Kosten von humanitären Standards und der Menschenrechte erfolgen. Hierauf muss die EU höchsten Wert legen und auch entsprechende Unterstützung und Hilfen leisten. 

Angela Merkel hat in Spanien das Dublin-Verfahren in der Asylpolitik als „nicht funktionsfähig“ bezeichnet. Stimmen Sie zu? Und welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen?

Es ist ja keine neue Erkenntnis: Das Dublin-Verfahren hat sich in der jetzigen Form als nicht praktikabel erwiesen. Vor allem auch deshalb, weil es nicht mit einem funktionierenden System der Verteilung von Flüchtlingen verbunden ist. So werden die besonders von Flucht und Migration betroffenen Staaten an der Südgrenze Europas mit der Aufgabe zu sehr allein gelassen. Zudem kommt es zu Sekundärmigration in andere EU-Staaten. Beides ließe sich mit einem gerechteren System der Lastenteilung lösen. Hiergegen sperren sich allerdings auch weiterhin eine Reihe von Mitgliedstaaten, allen voran Ungarn und Polen. Meines Erachtens ist es jetzt höchste Zeit, diese Blockaden in der europäischen Flüchtlingspolitik endlich zu durchbrechen. So hat der spanische Außenminister zum Beispiel zuletzt vorgeschlagen, dass eine Gruppe von Staaten in der Flüchtlingspolitik vorangehen sollte. Ich bin der Auffassung: Deutschland sollte Teil einer solchen Allianz der Vernünftigen und Verantwortungsbewussten in Europa sein, die bei der Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen sowie der Rückführung von Migranten ohne Bleibeperspektive konstruktiv zusammenarbeiten. 

Berlin und Madrid haben sich auf ein so genanntes Rücknahme-Abkommen geeinigt. Danach können jetzt an der deutsch-österreichischen Grenze überprüfte Flüchtlinge innerhalb von 48 Stunden nach Spanien zurückgebracht werden, wenn sie bereits dort einen Asylantrag gestellt haben. Es kommen aber kaum Flüchtlinge aus Spanien über die österreichische Grenze nach Deutschland. Hat dieses Abkommen damit überhaupt irgendeine Relevanz? Und wie bewerten Sie die laufenden Gespräche mit Italien, Österreich und Griechenland über entsprechende Abkommen? 

Das Abkommen mit Spanien dürfte in erster Linie eine besondere Relevanz für den Seelenzustand der CSU haben. Und auch weitere bilaterale Rückübernahmeabkommen können die eigentlichen Herausforderungen nicht wirklich lösen. Umso wichtiger ist es denn auch, in den eigentlich entscheidenden Fragen politisch voranzukommen. Wenn gemeinsame Lösungen bei der Aufnahme, Verteilung und Rückführung von Flüchtlingen und Migranten nicht endlich gelingen – zumindest in einem Kreis fortschrittswilliger Staaten – dann profitieren von dieser Handlungsunfähigkeit am Ende nur die Populisten und Nationalisten in Europa. Umso mehr brauchen wir jetzt die Zusammenarbeit und Solidarität der Aufrechten in Europa, damit der Populismus und Zynismus der Rechten nicht die Oberhand gewinnt.

 

 

 

Autor*in
Lars Haferkamp
Lars Haferkamp

ist Chef vom Dienst und Textchef des vorwärts.

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