Flucht aus Afghanistan: SPD wirft CDU Populismus vor
IMAGO/Olaf Schuelke
Sachsens Ministerpräsident und CDU-Vize Michael Kretschmer verlangt einen sofortigen Stopp des Aufnahmeprogramms für ehemalige Ortskräfte aus Afghanistan, die dort die Bundeswehr bei ihrem schwierigen Einsatz unterstützt haben. Das betrifft ca. 10.000 Personen, die bereits eine Aufnahmezusage haben. Wie bewerten Sie die Forderung Kretschmers?
Kretschmer bedient Ressentiments und leistet einer populistischen Diskussion Vorschub, ohne die Lage real zu verbessern. Das ist schlicht verantwortungslos. Aufnahmeprogramme dienen ja einem ganz besonderen Ziel. In Afghanistan geht es zum Beispiel um Menschen, die sich besonders für Menschenrechte eingesetzt haben und deshalb jetzt in einer besonders dramatischen Lage sind.
Was würde ein solcher Stopp in der Praxis für die Ortskräfte bedeuten?
Wir würden diejenigen ohne Hoffnung zurücklassen, die sich mit Deutschland und für Deutschland in Afghanistan eingesetzt haben. Es geht um eine moralische Verpflichtung.
Welche Folgen hätte ein Aufnahmestopp des Programms für Deutschland?
Es geht darum, unsere Glaubwürdigkeit nicht zu zerstören. Wer soll denn in Zukunft in ähnlichen Ländern noch für und mit uns arbeiten, wenn sich rumspricht, dass wir die Menschen im Anschluss im Stich lassen? Das belastet unsere außenpolitischen Interessen.
Brauchen wir eine „Zeitenwende“ in der Migrationspolitik, wie von CDU-Vize Kretschmer verlangt, also eine Reduktion der Geflüchtetenzahl?
Deutschland muss zu seinen internationalen Verpflichtungen stehen und das Recht von Geflüchteten respektieren. Die mit Abstand meisten Geflüchteten kommen ja gerade aus der Ukraine. Ich nehme nicht an, dass Herr Kretschmer hier die Tür schließen will. Ansonsten geht es darum Migration anders zu steuern. Tendenziell weg von irregulärer Migration hin zu regulärer Zuwanderung. Steuerung bei denjenigen, die keinen Asylgrund haben. Das schafft dann auch den Raum und die Akzeptanz für diejenigen, die schlichtweg flüchten müssen.
Was bedeuten Kretschmers Forderungen für die AfD und ihr aktuelles Umfragehoch?
Das weiß ich nicht. Wir brauchen aber rationale Debatten. Wir müssen über Migration aufgeklärte Diskurse führen. Populistische Forderungen helfen nicht. Am Ende auch nicht Herrn Kretschmer.
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Das Interview wurde schriftlich geführt.