Fitfor55: Handelsexperte warnt vor Diskriminierung durch EU-Klimazoll
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Das Gesetzespaket „Fitfor55“ ist aus Sicht von Bernd Lange „teilweise mit heißer Nadel gestrickt“. Der Sozialdemokrat und Außenhandelsexperte kritisiert nach dem ersten Aufschlag durch die EU-Kommission fehlende Aspekte – und warnt grundsätzlich vor der fehlenden Balance, wenn es darum geht, wer die Lasten der grünen Transformation tragen muss: „Wir müssen daran arbeiten, dass der Green Deal auch zu einem Social Deal wird.“
Die Proteste der Gelbwesten in Frankreich gegen höhere Spritpreise, Demonstrationen gegen den Kohleausstieg in Osteuropa – das sind für den Niedersachsen die Beispiele, die zeigen, wie wichtig Unterstützung und sozialer Ausgleich beim Umbau der Wirtschaft sind. Das bisher geplante Volumen des sozialen Klimafonds – 72 Milliarden, verteilt auf sieben Jahre bis 2032, für die gesamte EU – würde da bei weitem nicht ausreichen. „Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein, der den Stein vielleicht gar nicht erreicht.“ Gegen anspruchsvolle Klimaziele und deren Umsetzung hat Lange nichts einzuwenden, allerdings: „das muss sozial ausgeglichen geschehen, sonst werden wir nichts gestalten können.“
Klimazoll: Protektionismus wie Donald Trump
Was ihm als Handelsexperte besondere Bauchschmerzen bereitet, ist die Idee des CO2-Grenzausgleichs: Die Kommission will den Import klimaschädlich produzierter Ware verteuern und klimafreundliche Produktion in der EU stärken. „CBAM“, eine Art „Klimazoll“, soll zunächst nur für einzelne Branchen und Produkte wie Stahl, Zement oder Aluminium gelten. Aber Lange sieht dabei mehrere Gefahren und Ungerechtigkeiten: Zum einen warnt er vor Gegenreaktionen wichtiger Handelspartner*innen wie den USA. Protektionismus im Handel, die Mauern hochziehen, das erinnert ihn an die Handelspolitik eines Donald Trumps.
„Außerdem wäre das illegal, wenn das so begründet wird“, meint Lange und verweist darauf, dass im globalen Handel niemand diskriminiert werden dürfe. Seiner Ansicht nach müsse es im selben Atemzug einen Vorteil beim Import geben, wenn Produkte im Ausland klimafreundlicher als innerhalb von Europa produziert werden. Dieser Aspekt ist im Vorschlag der Kommission aber noch nicht berücksichtigt.
Entwicklungsländer ohne Entwicklungsperspektive
Was laut Bernd Lange ebenfalls fehlt: Eine Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. „Sonst bekommen wir ein Verfahren bei der WTO – und zwar zu recht.“ Als Beispiel führt der Europaparlamentarier Zement an: Der Grundstoff für Beton ist der gefragteste Baustoff der Welt. Doch die Herstellung ist klimaschädlich, verursacht rund acht Prozent der globalen CO2-Emissionen. Deutschland importiert Zement beispielsweise aus Indonesien. „Da können wir nicht dieselben Maßstäbe wie für die einheimische Produktion anlegen“, sagt Lange, denn auch diese Länder bräuchten eine Entwicklungsperspektive. „Das Instrument ist nicht grundsätzlich absurd, es ist hilfreich. Aber es muss gestaltet werden“, bilanziert Lange.
Letztendlich vermisst er beim „Green Deal“ die globale Perspektiv. Er warnt auch bei dem „Fitfor55“-Paket vor einer eingeschränkten, europäischen Perspektive. Das gemeinsame, globale Ziel der CO2-Reduktion könne man nicht über Konfrontation erreichen.