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Finanzkrise als Fanal

von Joris Steg · 17. Februar 2010
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Die Krise hat nach Amerika auch Europa erreicht. Milliarden wurden in hochriskanten Finanzgeschäften verbrannt - mit dramatischen Auswirkungen auf das Wirtschaftssystem. Im März 2008 passiert das Unfassbare: Die Nationalbank - das deutsche Symbol für die Finanzwirtschaft - wird erpresst. In einem ominösen Erpresserschreiben fordert die "Gesellschaft zur Rettung der Menschenwürde" die Wahnsinnssumme von 1 Billion Euro zur Beseitigung des weltweiten Hungers. Die Anklage lautet: "Die Finanzwirtschaft der führenden Industrienationen hat sich schuldig gemacht, mehr als 100 Milliarden Euro wissentlich vernichtet zu haben. Die Verflechtung von Banken, Börsen, Fonds, Spekulanten und Politik tarnt die Schuldigen."

Ermittlungen der Eingeweihten

Das BKA wird mit dem Fall betraut. Es heuert seinen ehemaligen Profiler und heutigen Bühnenmagier Markus Romer an. Er soll den Erpresser, der mit einem Anschlag auf die in Frankfurt stehende Nationalbank droht, identifizieren. Der bekannte Illusionist, meint das Expertenteam, könne mit seinen hellseherischen Fähigkeiten diesen Fall, der keineswegs öffentlich werden soll, lösen helfen. Innenminister Möller ist ebenfalls daran interessiert, die Erpressung so schnell wie möglich aufzuklären und stellt ein eigenes Beraterteam zusammen. Die wenigen Eingeweihten beginnen mit den Ermittlungen: Wer steckt hinter der mysteriösen "Gesellschaft zu Rettung der Menschenwürde"? Ist es ein Einzeltäter oder eine Gruppe? Ist es vielleicht ein fallengelassener Investmentbanker, der sich rächen will? Ist es eine linksextremistische Terrorgruppierung wie die RAF? Ist es ein Fall von Wirtschaftskriminalität, in der Konkurrenten der Nationalbank diese schwächen und dann übernehmen wollen? Doch sie tappen im Dunkeln, denn der Erpresser scheint alles perfekt geplant zu haben und immer einen Schritt voraus zu sein. Selbst Romer kann den ihn vorerst nicht identifizieren. Alles scheint unaufhaltsam auf eine Katastrophe hinauszulaufen…

Erpressung in neun Akten

Ulrich Magnus Hammer betrachtet die Finanzkrise in seinem Roman als Fanal. Fanal -italienisch: fanale - bedeutet Leuchte, Fackel oder Leuchtfeuer. Zugleich wird darunter auch ein bedeutsames, symbolträchtiges Ereignis verstanden, das eine folgenschwere Veränderung mit sich bringt. Genau so ein Ereignis ist die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise für Hammer. Dabei zieht er Parallelen zur realen Welt, so wird zum Beispiel aus Lehmann Brothers die Firma Gouldsteen Brothers. In neun Akten beschreibt der Autor den Fortgang von Finanzkrise und Erpressung: informativ und kenntnisreich!


Überzeugende Charaktere

Besonders gelungen ist Hammer die Charakterisierung der vielen handelnden Akteure. Da gibt es die hübsche Psychologin, die Romer zurück zum BKA gelotst hat und mit ihren Reizen umzugehen weiß. Und natürlich die Hauptfigur Markus Romer, der Kunst studierte, dann als Profiler arbeitete und nun ein bekannter Bühnenmagier ist. Hinzu kommen ein BKA-Chef, der in seinen Fikus verliebt ist, ein Innenminister, der als Alt68er zum Realpolitiker mutiert ist und ein systemkritischer Richter, der sich gegen seine steinreiche Familie wendet, weil die ihr Vermögen durch Geschäfte mit den Nazis erlangt hat. Neben Investmentbankern, die täglich mit Millionen hantierten und sich nicht als Täter in der Finanzkrise sondern als unschuldig in den Medien kriminell dargestellt betrachten, tauchen Golf spielende Bankmanager auf, die auf Schadensbegrenzung fixiert sind. Besonders interessant sind der Rollstuhlfahrer Harry, der vorm Penny Markt über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft philosophiert sowie ein mysteriöse Zeitgenosse mit Glatze und Hornbrille.

Immer wieder spielt Kunst bei den Akteuren eine Rolle. Hier bringt Ulrich Magnus Hammer, der in den 70ern einige Jahre Mitglied der Kultband "Ton-Steine-Scherben" war und Bildende Kunst studiert hat, eigene Erfahrungen ein.

Stunde der Visonäre

"Fanal" ist ein lesenswerter Roman zu einem aktuellen Thema. Die Spannung steigt von Akt zu Akt. Leider ist das Ende dann nicht ganz so stark wie der Fortgang der Handlung vermuten ließ. Schön wäre auch gewesen, wenn sich Hammer bei den Folgen der Finanzkrise nicht nur auf die Hauptfiguren, sondern auf die gesamte Gesellschaft bezogen hätte. Das ändert nichts daran, dass die Lektüre von "Fanal" zu empfehlen ist. Es ist ja nicht so, dass es gar keine Kritik am und Ratschläge für das aktuellen System gibt. Beispielsweise analysiert Markus Romer: "Eines steht fest, die Welt braucht keine Spekulanten, sie braucht keine Kapitalisten und keine Kommunisten. Vielleicht ist endlich wieder die Stunde der Visionäre gekommen."

Ulrich Magnus Hammer: Fanal. editionfredebold derdeutscheautorenverlag 2009, 492 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-939674-38-2

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