Facebook und Google: Warum eine australische Lösung für Deutschland fraglich ist
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Das Tauziehen in Australien ist vorbei, doch in Europa und Deutschland geht es erst richtig los. Das australische Gesetz, das die dortigen Verlage stärkt, wurde gegen den Willen von Facebook und Google durchgesetzt und am Mittwoch im Parlament von Canberra beschlossen. Das Gesetz sichert den australischen Verlagen Anteile an den Werbeeinnahmen der Digitalkonzerne
Nun wollen die europäischen Presseverlage auch so ein Gesetz, denn ökonomisch stehen sie mit dem Rücken zur Wand, während Google und Facebook im Geld schwimmen. Die Werbeeinnahmen der deutschen Presseverlage haben sich von 2005 bis 2020 mehr als halbiert, von 4,7 Milliarden Euro auf 2,2 Milliarden Euro. Davon und von den Abo-Einnahmen müssen aber steigende Kosten für Redaktionen, Druck und Vertrieb bezahlt werden. Dagegen hat Facebook im Jahr 2020 stolze 29 Milliarden Dollar Gewinn gemacht und die Google-Mutter Alphabeth sogar 40 Milliarden Dollar.
Für eine Demokratie essentiell
Seit Jahren argumentieren die Verlage, dass der Reichtum der Digitalkonzerne auch mit den Inhalten der Zeitungsartikel erwirtschaftet wird. Auf Google News und in den Trefferlisten werden wichtige Teile des Inhalts als Snippet (Schnipsel) angezeigt. Bei Facebook laden die Nutzer*innen Medieninhalte hoch und machen so das Angebot interessanter.
Vermutlich überschätzen die Verlage ihre Bedeutung für die Digitalkonzerne etwas, aber die Politik und die Öffentlichkeit stehen eher auf ihrer Seite. Schließlich ist der Fortbestand unabhängiger Medien für eine Demokratie essentiell. Und den steuer-vermeidenden Digitalkonzernen gönnt man es, wenn sie etwas von ihrem Milliardenüberfluss abgeben müssen.
Ein erster Versuch in Deutschland war 2013 die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Zeitungsverlage – das aber völlig verpuffte. Google weigerte sich einfach, für Lizenzen zu bezahlen. Die Verleger*innen gestatteten Google daher die Nutzung der Snippets ohne Gegenleistung, damit Google ihre Inhalte weiter in Trefferlisten aufnimmt und damit Verkehr auf ihre Seiten lenkt.
Gegen Google und Facebook
Die australische Regierung ist daher einen entscheidenden Schritt weiter gegangen. Sie stellt sicher, dass die Verlage bei Verhandlungen mit den Digitalkonzernen nicht leer ausgehen. Um das Verhandlungs-Ungleichgewicht auszuhebeln, können die Vergütungen für die Verlage letztlich von einem Schiedsgericht festgelegt werden. Das Gesetz („News Media Bargaining Code“) nutzt vor allem dem konservativen Verleger Rupert Murdoch, der die australische Medienlandschaft dominiert.
Während Google sich nach anfänglichen Protesten mit dem Gesetz abfand, wurde Facebook rabiat. Auf Facebook wurden zeitweise keinerlei australische Medieninhalte mehr angezeigt und auch Regierungsseiten (inklusive Gesundheits- und Katastrophenschutz-Angeboten) wurden auf Facebook blockiert. Im Gegenzug kündigte die konservative Regierung von Scott Morrison an, keinerlei Werbung auf Facebook mehr zu buchen.
Die europäischen Verleger waren fasziniert und forderten nun erstmals auch eine Zwangsschlichtung. Sie räumten damit ein, dass sie nur begrenzte Verhandlungsmacht haben. Doch die Politik auf EU-Ebene und in Deutschland ist noch zögerlich.
EU-Richtlinie bis Juni umsetzen
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager verweist darauf, dass 2019 in der EU-Urheberrechts-Richtlinie bereits europaweit ein Leistungsschutzrecht für Zeitungsverlage eingeführt wurde. Diese Vorgabe wird derzeit in deutsches Recht umgesetzt. Den Gesetzentwurf beschloss die Bundesregierung Anfang Februar (es geht dort auch um die Neuverteilung der Youtube-Gewinne). Die EU-Richtlinie muss bis Juni umgesetzt sein.
Allerdings enthalten weder die EU-Richtlinie noch das deutsche Umsetzungsgesetz eine Zwangsschlichtung, die den Verlagen wirksam helfen würde. Federführend für das deutsche Gesetz ist Justizministerin Christine Lambrecht (SPD). Sie verweist aber auf das Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU), denn eine Zwangschlichtung sei ein kartell-rechtliches Instrument. Das Wirtschaftsministerium hält dagegen Lambrecht für zuständig, schließlich gehe es im Kern um Urheberrechte. Ob die Koalition sich kurzfristig auf eine australische Lösung verständigen kann und will, scheint fraglich.
Lizenzgebühren an die Verlage
Die Lage ist auch deshalb komplex, weil Google und Facebook sich gegenüber den Nöten der Medien nicht nur taub stellen, sondern in letzter Zeit durchaus auf die Verlage zugegangen sind. So hat Google im Sommer 2020 Google News Showcase angekündigt, eine neue Plattform, auf der Verlage selbstausgewählte Inhalte präsentieren können, die sonst hinter einer Paywall stehen. Für die Nutzer*innen sollen diese Inhalte hier kostenlos sein, Google zahlt dafür aber Lizenzgebühren an die Verlage. Für die Medienhäuser sind das verführerische (wenn auch nicht verlässliche) Summen. Die Bereitschaft beteiligter Verlage zur Konfrontation mit den Digitalkonzernen dürfte so aber eher gemildert werden.