In den Umfragen kurz vor der zweiten Runde der Präsidenschaftswahlen lag der sozialdemokratische Kandidat Mircea Geoană weit vorn. Die Medien lobten den ehemaligen Außenminister, der für den Beitritt Rumäniens in die Europäische Union wesentlich verantwortlich ist. Mit Ausnahme einer Partei stand das gesamte Parlament hinter ihm. Doch 70.000 Stimmen fehlten, so wurde der alte Präsident Traian Băsescu am 6. Dezember auch der neue. Dabei ist er für die größte Krise des osteuropäischen Landes wesentlich verantwortlich.
Volksabstimmung gegen den Willen der parlamentarischen Mehrheit
Denn seit seinem Amtsantritt 2004 liefert er sich einen Machtkampf nach dem Anderen, innerhalb seiner Partei und mit den Ministerpräsidenten. Im Jahr 2007 eskalierte die Lage schließlich, so
dass Băsescu vom Parlament suspendiert wurde. Darauf hin ließ er eine Volksabstimmung durchführen - drei Viertel der Wähler zeigten sich auf seiner Seite, gegen den Willen der parlamentarischen
Mehrheit.
Das politische System Rumäniens hinkt und die Wähler - so hört man in den Straßen Bukarests häufig - entschieden sich immer falsch, wenn sie die Wahl hätten. Und das ist noch nicht lange
so, wird dann sarkastisch nachgeschoben. Schließlich wurde der Diktator Nicolae Ceauşescu erst 1989 gestürzt.
Am 6. Dezember diesen Jahres hatten die Rumänen dann wieder die Wahl. Die Große Koalition war zerbrochen, der Ministerpräsident per Misstrauensvotum gestürzt. Zwar wollten die
Sozialdemokraten einen Übergangspremier ernennen, dieser scheiterte jedoch trotz Parlamentsmehrheit an dem Veto von Präsident Băsescu. In Rumänien hängt die Regierungsbildung vom
Staatspräsidenten ab, nur er hat das Recht, dem Parlament einen Ministerpräsidenten vorzuschlagen. "Er hatte es auf eine Krise des Systems angelegt," sagt Mircea Geoană von der
Sozialdemokratischen Partei (PSD), "und er war erfolgreich."
Gleichzeitig wurde das Land von der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise getroffen. Die Wirtschaft des Landes schrumpfte, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Finanzinstitutionen
der Europäischen Union mussten zu einem Notkreditpaket von 19,95 Milliarden Euro gedrängt werden - von einer Regierung, die nur noch geschäftsführend vom Parlament geduldet wird.
Vetternwirtschaft
Die Sozialdemokraten unter Mircea Geoană hatten einen Plan, einen überzeugenden Kandidaten und genügend Koalitionspartner im Parlament. Während Băsescu sich für den Kampf gegen die
allgegenwärtige Korruption in Rumänien stark gemacht hatte, folgten seinen Worten nur wenig Taten. Mit der Entsendung seiner Tochter als Abgeordnete ins Europäische Parlament machte er sich der
Vetternwirtschaft verdächtig. Zudem fischt er auch im Lager der extremen Rechten. In der mittlerweile eigenständigen Republik Moldau hat er zuletzt rumänische Pässe verteilt, um den Anspruch auf
ein Großrumänien zu unterstreichen. Geoană hingegen war bis 2004 Außenminister und hat sich vor allem durch die EU-Beitrittsverhandlungen einen Namen gemacht. Der einst jüngste Botschafter seines
Landes galt als Liebling der Medien und überzeugte durch Inhalte.
Bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen am 6. Dezember entfielen laut zentraler Wahlbehörde jedoch 50,33 Prozent der Stimmen auf den konservativen Amtsinhaber Băsescu, der
Sozialdemokrat Geoană unterlag mit 49,66 Prozent der Stimmen. Insgesamt hatte Băsescu nur einen Vorsprung von 70.000 Stimmen. Vor allem die Auslandsrumänen hatten ihn unterstützt, etwa 78 Prozent
ihrer 146,876 Stimmen konnte er auf sich vereinen.
Weil die Zahl der ungültigen Stimmen jedoch doppelt so hoch war die die Stimmendifferenz beider Kandidaten witterten die Sozialdemokraten Manipulationen. Unregelmäßigkeiten, Stimmenkauf und
mehrfach Stimmabgaben ließen sie den Obersten Verfassungsgericht anrufen, um eine Annullierung des Ergebnisses und eine Wiederholung der Wahlen zu fordern. "Ich bin der rechtmäßige Sieger," so
Mircea Geoană, "das Verfassungsgericht soll entscheiden, ob wir weitere fünf Jahre mit einem Präsidenten leben müssen, der manipuliert und lügt."
1.169 mehr für Băsescu
Das Oberste Verfassungsgericht ordnete die Neuauszählung von etwa 140.000 Stimmzetteln aus 47 Wahlkreisen an. Am Montag zeigte sich dann, dass der Wahlsieg von Präsident Băsescu bestätigt
wurde. Genau 2.137 Stimmen stellten sich doch noch als gültig heraus, 1.169 mehr für Băsescu, 968 mehr für Geoană. Zu wenigfür die Sozialdemokraten.
Gleichzeitig stimmte eine Mehrheit von etwa 80 Prozent der Rumänen in einer parallelen Volksabstimmung für eine Reduzierung der Sitze des rumänischen Unterhauses, die der Präsident
initiiert hatte. "Niemand hat eine Vorstellung, wie die Wirtschaft laufen soll, wie ein Haushalt geführt wird," sagt Christian Mititelu, Politik-Experte aus Bukarest, "nicht die Öffentlichkeit,
nicht die Regierung, nicht die Abgeordneten. Wir haben ein schlechtes Wahlsystem, eine mangelhafte politische Kultur und Abgeordnete, die ihre Wähler vergessen."
Im kommenden Jahr erwartet Rumänien ein Schrumpfen der Wirtschaft von 5,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Für 2010 hat das Land nur eine Interims-Regierung und noch immer keinen
Haushalt. Der IWF muss ohne neue Regierung die Auszahlung der nächsten Kredittranche veranlassen. Etwa 1,5 Milliarden Euro stehen noch aus - erst dann kann das Land wieder Renten und Gehälter für
die Staatsbediensteten auszahlen.
Staatspräsident Băsescu hofft, dass die ihm nahe stehenden Parteien doch noch eine Koalition im Parlament bilden werden, um einen ihm genehmen Ministerpräsidenten zu akzeptieren. Bis dahin
ist ein Ausweg aus der Wirtschafts-, Sozial-, Politik- und Verfassungskrise unwahrscheinlich. Dass Rumänien seit bald drei Jahren Mitglied der Europäischen Union ist, hat an den Turbulenzen
nichts geändert. Vielleicht war das Land noch nicht reif genug, jetzt allerdings sollten die Europäer gemeinsam einen Ausweg finden.
arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.