Europaparlament: SPD fordert Nachbesserungen an EU-Wiederaufbauprogramm
European Union 2020 - Source : EP
Der Corona-Wiederaufbauprogramm für die EU wird kommen – aber wohl nicht in seiner jetzigen Form. In einer Sondersitzung hat das Europaparlament am Donnerstag den milliardenschweren Plan der Staats- und Regierungschefs vorerst abgelehnt. Hintergrund sind u.a. die im Plan für den EU-Haushalt vorgesehenen Kürzungen in den EU-Programmen für den sozialen Wandel, den europäischen Green Deal und eine faire Digitalisierung, die der Vorsitzende der SPD-Europaabegeordneten Jens Geier als „inakzeptabel“ bezeichnete. „Der Wiederaufbau darf nicht auf Kosten der Zukunftsfähigkeit der EU gehen“, betonte er. „Wir wollen ein starkes, soziales und nachhaltiges Europa.“
Wölken: „Diese bittere Pille werden wir so nicht schlucken.“
Selbst Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zu Beginn der Debatte in Brüssel aufgrund der Kürzungen von einer „bitteren Pille“ gesprochen, die die Staats- und Regierungschefs dem Parlament vorgelegt hätten, das Paket aber ansonsten verteidigt. Dass die Sozialdemokrat*innen damit nicht zufrieden sind, unterstricht auch der Abgeordnete Tiemo Wölken. „Diese bittere Pille, die Sie heute erwähnt haben, die uns serviert wurde, werden wir so nicht schlucken“, sagte er. „Das Wiederaufbauprogramm heißt ‚Next Generation EU‘“, erinnerter er. „Im Moment sieht es so aus, als bedeute das, dass sich um die Klimakrise, um die Digitalisierung, um die Gesundheit die nächste Generation kümmern soll“, kritisierte Wölken.
In einer gemeinsamen Resolution, die am späten Nachmittag mit großer Mehrheit angenommen wurde, fordert das Europaparlament deshalb mehr Ausgaben für Forschung, Gesundheit, das Studierendenprogramm „Erasmus“ sowie für den klimagerechten Umbau der Wirtschaft. Darüber hinaus wollen die Abgeordneten einen Rechtsstaatsmechanismus etablieren, mit dem Staaten wie Ungarn oder Polen bei Einschränkungen von Justiz, Medien oder Demokratie die finanziellen Zuwendungen aus Brüssel gekürzt werden könnten. Dieser ist im Programm, das die Staats- und Regierungschefs beschlossen hatten, nur sehr allgemein gehalten.
Geier: Kein Feigenblatt für Viktor Orbán
„Wir brauchen einen starken Mechanismus zur Verteidigung von Freiheit und Rechtsstaat“, betonte der Europaabgeordnete und SPD-Europabeauftragte Udo Bullmann in der Debatte. Zuvor hatte er bereits gegenüber dem „vorwärts“ gefordert: „Wir dürfen nicht zulassen, dass mit europäischen Steuergeldern die Abschaffung der Demokratie finanziert wird, wie es in Ungarn und Polen geschieht.“ „Ein ineffektiver Schutzmechanismus wäre ein Feigenblatt für das Gebaren des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán“, befürchtet auch Jens Geier.
Insgesamt sieht der Chef der SPD-Abgeordneten das Wiederaufbauprogramm aber durchaus positiv. „Das Volumen des Wiederaufbauplans kann einen Wumms für Europa auslösen“, sagte er. „Dafür braucht es aber die demokratische Mitsprache des Europäischen Parlaments.“ Aus Geiers Sicht braucht es auch „starke EU-Eigenmittel“ wie eine Finanztransaktionssteuer, eine Plastiksteuer und eine Ausweitung des europaweiten Emissionshandels. Das Europaparlament wird voraussichtlich im September abschließend über das Wiederaufbauprogramm beraten und darüber abstimmen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.