Europa-Staatsminister Roth: „Einen ungeordneten Brexit möchte niemand.“
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Theresa May hat einen weiteren Aufschub des Brexits bis zum 30. Juni beantragt. Wird der EU-Sondergipfel dem stattgeben?
Die EU darf sich nicht weiter vom Brexit lähmen lassen. Es gibt so viele Bewährungsproben, um die wir uns dringend kümmern müssen wie die zukünftige Finanzierung der EU, den Klimaschutz, die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit oder die gemeinsame Migrationspolitik. Beim Brexit gibt es kein Zeit-, sondern ein Entscheidungsproblem. Nachdem wir aus London monatelang gehört haben, was Parlament und Regierung alles nicht wollen, brauchen wir nun endlich eine Aussage, was sie wollen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs werden Theresa May bei ihrem Treffen sicher keinen Freifahrtschein ausstellen. Einen weiteren Aufschub für den Brexit kann es nur unter klaren Bedingungen geben. Beispielsweise die Teilnahme an den Europawahlen, sollte Großbritannien noch deutlich mehr Zeit eingeräumt werden. Aber immerhin hat Theresa May nach drei langen Jahren nun endlich eingesehen, dass sie für eine Lösung die Unterstützung der Opposition braucht. Und für die EU ist es unabdingbar, dass die Interessen Irlands berücksichtigt werden. Es darf zu keiner neuen Grenze zwischen Irland und Nordirland kommen.
Kommt es nicht zu einem Aufschub, droht ein ungeordneter EU-Austritt Großbritanniens schon am Freitag. Was würde das für die EU bedeuten?
Einen ungeordneten Brexit möchte niemand. Er wäre die mit Abstand schlechteste Option für alle Beteiligten. Deshalb haben ja sowohl die britische Regierung als auch das Parlament einen Brexit ohne Vertrag ausgeschlossen. Faktisch ist der kommende Freitag als Tag für den Brexit vom Tisch. Allerdings ist der Ausschluss der schlechtesten Option noch keine hinreichende Antwort auf die Frage, was man stattdessen will. Diese Antwort muss in Großbritannien gegeben werden. Und zwar schnell.
Wäre Deutschland auf einen harten Brexit denn gut vorbereitet?
Die Bundesregierung bereitet sich schon seit Monaten auf alle Möglichkeiten vor – selbstverständlich auch auf einen ungeregelten Brexit. Allerdings gibt es für keines der möglichen Szenarien eine Blaupause. Der Austritt eines Landes aus der EU ist ja bisher noch nie vorgekommen und wird hoffentlich auch eine historisch einmalige Situation bleiben. Das setzt unseren Prognosen für das, was passieren könnte, Grenzen. Der Brexit bleibt riskant – für Großbritannien genauso wie für die EU und ihre Mitgliedsländer.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.