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Europa ist zu wichtig, um es den Halbherzigen zu überlassen

Seit Gründung der EU ist Europa mehr und mehr zusammengewachsen. Doch der Zusammenhalt ist bedroht: von Nationalisten und von Konservativen. Wir Sozialdemokraten müssen ihnen die positive Vision eines sozialen Europas entgegensetzen.
von Andrea Nahles · 9. Mai 2019
Europa ist zu wichtig, um es den Halbherzigen zu überlassen.
Europa ist zu wichtig, um es den Halbherzigen zu überlassen.

Vor 40 Jahren waren die Bürgerinnen und Bürger Europas zum ersten Mal dazu aufgerufen, das Europaparlament zu wählen. Seitdem können wir alle mitentscheiden, wie wir zusammen – über Grenzen hinweg – in Europa leben, arbeiten und reisen wollen. Das ist eine historische Errungenschaft. Europa ist seitdem zusammengewachsen. Wir haben es geschafft, den Frieden zu sichern und die Spaltung Europas nach dem Fall des Eisernen Vorhangs zu überwinden. Wir haben die Binnengrenzen eingerissen, die Demokratie vorangebracht und Wohlstand für viele gemehrt.
Doch nun wollen Nationalisten in ganz Europa das Rad der Geschichte zurückdrehen. Sie versuchen, Europa zu spalten und reden eine vermeintlich bessere Vergangenheit herbei. Als ob Nationalismus diesem Kontinent je gutgetan hätte.

Europa ist für viele Konservative nur noch ein Lippenbekenntnis

Der Zusammenhalt in Europa wird aber nicht nur von diesen Ewiggestrigen bedroht, sondern auch von den Halbherzigen, für die Europa nur ein Wirtschaftsraum ist. Für viele Konservative ist Europa nur noch ein Lippenbekenntnis. Etliche verdingen sich sogar als Steigbügelhalter rechtspopulistischer Parteien, wie in Österreich. Konservative in Großbritannien und Ungarn haben eine anti-europäische Programmatik komplett übernommen. Das Resultat ist dort immer das gleiche: Chaos und gesellschaftliche Spaltung.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten setzen auf ein Europa, das miteinander Herausforderungen angeht und nicht einander Probleme schafft.  Für uns stehen die Menschen mit ihren Sorgen und Sehnsüchten im Mittelpunkt, nicht die Interessen globaler Konzerne. Denn es ist ungerecht, dass jede Bäckermeisterin und jeder Buchhändler Steuern in Europa zahlt, aber globale Giganten wie Google, Facebook & Co sich einen schlanken Fuß machen. Gerechtigkeit bedeutet deshalb für uns, dass alle ihren fairen Anteil an der Finanzierung unserer Schulen, Theater und Krankenhäuser leisten müssen. Daher setzen wir uns in Europa für eine Mindestbesteuerung aller Unternehmen und für eine Digital­steuer ein. Kurz: Wer in Europa Geld verdient, muss auch in Europa Steuern zahlen. Und wer in Europa keine Steuern zahlt, darf hier auch kein Geld verdienen.

Für ein Europa gleichwertiger Arbeitsrechte und Sozialstandards

In 15 Jahren konservativer Führung an der Spitze der Europäischen Kommission und des Rates haben gerade die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa oft das Nachsehen gehabt. Heute ist es oft so: Wenn ein Konzern nicht will, dass sich seine Belegschaft organisiert und für bessere Löhne eintritt, verlegt er einfach seinen Firmensitz in ein EU-Land, das keine Mitbestimmung kennt. Deswegen setzen wir auf ein Europa gleichwertiger Arbeitsrechte und Sozialstandards, damit die Beschäftigten nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir brauchen verbindliche Mindestlöhne in Europa, damit jeder in seinem Heimatland von der eigenen Arbeit auch vernünftig leben kann. Für Deutschland bedeutet das 12 Euro. Und wer mit Lohndumping dagegen verstößt, muss in Europa genauso hart sanktioniert werden wie bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht auch.

Seit Wochen gehen Schülerinnen und Schüler von Fridays for Future weltweit auf die Straße, um für eine saubere Umwelt und Klimaschutz zu demonstrieren. Das ist gut so. In Deutschland gehen wir mit dem Kohleausstieg bereits einen gewaltigen Schritt voran: Gleichzeitig investieren wir Milliarden in neue und saubere Jobs.  Und wir werden ein Klimaschutzgesetz verabschieden, das zum ersten Mal alle Sektoren unserer Gesellschaft, von Verkehr bis zur Landwirtschaft, verbindlich zur CO2-Verringerung verpflichtet – allen Widerständen in der Union zum Trotz.
Aber Klima macht nicht vor Ländergrenzen halt. Auf den globalen Anstieg an Emissionen braucht es eine europäische Antwort. Europa soll Vorreiterin bei der Energie- und Verkehrswende werden. So sichern wir gute Arbeit und eine gesunde Umwelt für alle.

Europa gemeinsam sozial und stark machen

Europa bedeutet vor allem eins: Frieden. Und das schon seit mehr als 70 Jahren. Frieden und Sicherheit sind aber keine Selbstverständlichkeit, wie uns die Aufkündigung des INF-Vertrages zur nuklearen Abrüstung durch Washington und Moskau deutlich vor Augen führt. Denn das hat direkte Auswirkungen auf unsere Sicherheit in Europa. Unsere Antwort darauf kann nur ein starkes und vereintes Europa sein. Nur zusammen können wir unsere Interessen und Werte in der Welt überzeugend vertreten. Wir wollen, dass sich Europa dafür stark macht, die Welt friedlicher und gerechter zu machen, die Menschenrechte zu schützen und die Abrüstung voranzutreiben. Diese Europawahl ist eine Entscheidungswahl. Europa ist zu wichtig, um es den Halbherzigen zu überlassen. Kommt zusammen, damit wir Europa sozial und stark machen!

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