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EuGH: Auch Osteuropäer mussten bei Flüchtlingen solidarisch sein

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist eindeutig: Polen, Ungarn und Tschechien hätten ab 2015 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufnehmen müssen. Das Urteil hat vor allem politische Folgen: etwa für den geplanten Migrations- und Asylpakt der EU.
von Christian Rath · 2. April 2020
Der Europäischer Gerichtshof in Luxemburg: Sein Urteil über XXX
Der Europäischer Gerichtshof in Luxemburg: Sein Urteil über XXX

Alle EU-Staaten mussten sich ab 2015 an der Umverteilung von Flüchtlingen beteiligen, auch Ungarn, Polen und Tschechien. Das entschied jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH).

EU: Nur 30.000 Flüchtlinge umverteilt

Die Umverteilung wurde auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszustroms im Jahr 2015 beschlossen. Vor allem die Länder an den EU-Außengrenzen waren überlastet. Nach den Dublin-Regeln hätten sie den größten Anteil der Asylverfahren durchführen müssen. Im September 2015 beschloss daher der EU-Ministerrat Griechenland und Italien zu entlasten. In zwei Beschlüssen einigten sich die EU-Staaten auf die Umverteilung von insgesamt 160 000 Flüchtlingen binnen zwei Jahren.

Im Ergebnis wurde dann aber nur rund 30 000 Flüchtlinge umverteilt. Deutschland nahm in diesem Verfahren rund 8 000 Menschen auf. Anfangs stellten viele Flüchtlinge in Italien und Griechenland gar keine Asylanträge, sondern schlugen sich auf eigene Faust Richtung Deutschland und Skandinavien durch. Außerdem war das Umverteilungsprogramm auf Flüchtlinge begrenzt, die aus Ländern mit Anerkennungsquoten über 75 Prozent stammen, zum Beispiel Syrien.

Osteuropäer klagten – und verloren

Die osteuropäischen EU-Staaten nahmen aber eine generelle Verweigerungshaltung ein. Ungarn und Polen akzeptierten im Rahmen des Programms keinen einzigen Flüchtling, Tschechien nur 12 Personen.

Ungarn und die Slowakei klagten damals sogar gegen die EU-Beschlüsse und wurden dabei von Polen unterstützt. Doch im September 2017 stellte der EuGH fest, dass die beiden Umverteilungsbeschlüsse rechtmäßig waren. Die Rechtsgrundlagen in den EU-Verträgen seien ausreichend. Finanzielle Hilfen an Italien und Griechenland wären weniger geeignet als eine Umverteilung von Flüchtlingen.

Urteil des EuGH keine Überraschung

Da sich aber Polen, Ungarn und jetzt auch Tschechien weiterhin weigerten, Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufzunehmen, erhob die EU-Kommission im Dezember drei Vertragsverletzungsklagen. Dass der EuGH erneut gegen die osteuropäischen Staaten entschied, ist nach dem Urteil von 2017 keine Überraschung.

Die drei Staaten hatten sich auf ihr Recht berufen, die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Dies habe Vorrang vor EU-Beschlüssen. Sie befürchteten, dass sich unter den Flüchtlingen auch Gewalttäter und Terroristen befinden könnten.

Politische Bedeutung des Urteils

Der EuGH erläuterte nun, dass die Mitgliedstaaten zwar die Aufnahme von konkreten Personen verweigern können, wenn sie „objektive und eindeutige“ Beweise für deren Gefährlichkeit haben. Sie könnten die Aufnahme aber nicht generell aufgrund bloßer Befürchtungen ablehnen.

Das EuGH-Urteil hat vor allem politische Bedeutung. Ob die Pflicht zur Aufnahme von Flüchtlingen aus diesen (inzwischen abgelaufenen) Programmen noch besteht, ist unklar.

Migrations- und Asylpakt geplant

EU-Kommissions-Präsidenten Ursula von der Leyen schaute in einer ersten Reaktion mehr Richtung Zukunft. Nach Ostern will die Kommission ihren Vorschlag für einen Migrations- und Asylpakt vorlegen. Er soll einen Durchbruch bei den Verhandlungen um eine generelle EU-Regelung zur Verteilung von Flüchtlingen bringen.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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