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EU-Ratspräsidentschaft: Fünf Wege für ein sozialeres Europa

Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft kämpft der SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil für ein sozialeres Europa. Seine Vorschläge dazu diskutiert er auf einer Online-Konferenz mit hochkarätigen Gästen.
von Jonas Jordan · 17. September 2020
Arbeitsminister Hubertus Heil will während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft für ein sozialeres Europa sorgen.
Arbeitsminister Hubertus Heil will während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft für ein sozialeres Europa sorgen.

„Mir ist es wichtig, dass wir in Zeiten der deutschen EU-Ratspräsidentschaft mit möglichst vielen gesellschaftlichen Partnern über das soziale Europa sprechen“, sagt SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil. Seit 1. Juli hat Deutschland diese für ein halbes Jahr inne. Mit dem Hindernis, dass auch auf europäischer Ebene zurzeit wegen der Corona-Pandemie kaum persönliche Treffen möglich sind. Das Arbeitsministerium hat darauf mit einer Online-Konferenz reagiert, auf der Minister Heil mit Politiker*innen und gesellschaftlichen Vertreter*innen Wege für ein sozialeres Europa diskutiert. Mit dabei sind beispielsweise EU-Parlamentspräsident Sassoli, Sozialkommissar Schmit, aber auch Minister*innen aus mehreren europäischen Ländern. Heils Impuls ist: „Ich verstehe mich als Brückenbauer. Ich glaube, dass von uns erwartet wird, dass wir etwas zum politischen und sozialen Zusammenhalt in Europa leisten.“

Europäische Mindestlöhne

„Wir haben viele Menschen während Corona gesehen – Pflegekräfte oder Supermarktmitarbeiterinnen – die nicht im Home Office arbeiten konnten. Sie waren Heldinnen. Für sie wurde geklatscht, aber Applaus reicht nicht. Wir brauchen faire Löhne und deswegen europäische Mindestlöhne“, betont Hubertus Heil. Dabei geht es nicht darum, dass der Mindestlohn in allen EU-Mitgliedsstaaten gleich, sondern an das Lohnniveau des jeweiligen Landes angepasst ist. In Deutschland wären das etwa 12 Euro. Eine Forderung, mit der die SPD bereits im Europawahlkampf 2019 angetreten ist.

Investitionen

„Europa hat sich in den vergangenen Monaten verändert“, sagt David Sassoli, Präsident des Europaparlaments. Anders als in früheren Krisen stehe die Europäische Union während der Corona-Pandemie zusammen und investiere gemeinsam in die Zukunft. So werde auch die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten gestärkt. Ähnlich äußert sich in diesem Kontext die portugiesische Arbeitsministerin Ana Mendes Godinho: „Es ist eine ganz starke Botschaft für Europa, die zeigt, was wir im Umgang mit Krisen anders machen können. Es ist keine Botschaft der Austerität. Stattdessen schafft sie Vertrauen.“ In der Krise sei es wichtig, die Zusammenarbeit zu stärken und Mauern niederzureißen. Europa habe in den vergangenen Monaten sehr gute Maßnahmen geschaffen, sagt Mendes Godinho und fügt an: „Wir dürfen nicht an die Euros denken, sondern an die Menschen.“ Portugal wird die EU-Ratspräsidentschaft zum 1. Januar 2021 von Deutschland übernehmen. Gemeinsam mit Slowenien, das den Vorsitz im zweiten Halbjahr 2021 innehat, haben die Länder gemeinsame Ziele vereinbart. 

Qualifizierung

Ein wichtiger Aspekt aus Sicht von Arbeitsminister Hubertus Heil ist die Qualifizierung von Arbeitnehmer*innen. „Wir müssen in lebenslanges Lernen investieren. Denn die Arbeitnehmer von heute müssen die Möglichkeit bekommen, die Arbeit von morgen zu erledigen“, fordert er. Heil betont zugleich: „Man muss Arbeitslosigkeit bekämpfen, bevor sie eintritt, indem man in Qualifizierung investiert.“ Seine portugiesische Amtskollegin berichtet in diesem Zusammenhang von einem Qualifizierungsmodell in Zusammenarbeit mit Arbeitslosen und Technologiefirmen aus ihrem Land, das gut funktioniere. Demnach machen die Unternehmen deutlich, welche Qualifikationen für sie vonnöten sind. Diese vermittelt ein Ausbildungssystem entsprechend. Dafür garantieren die Technologiefirmen den Arbeitnehmer*innen anschließend faire Löhne.

Jugendarbeitslosigkeit

Nach den hohen Zahlen von Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa während der Eurokrise macht Sozialkommissar Nicolas Schmit deutlich: „Wir können uns keine zweite verlorene Generation oder eine Corona-Generation leisten, in der junge Menschen keine Perspektiven haben.“ Deswegen habe die EU-Kommission bereits am 1. Juli ein Programm aufgelegt, um Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Der Luxemburger sagt aber auch: „Wir können nicht alles von Brüssel aus steuern, sondern nur unterstützen und die Mitgliedsstaaten anfeuern. Wir müssen Jugendlichen die Möglichkeit geben, eine solide Ausbildung zu bekommen, aber auch anschließend einen Qualitäts-Arbeitsplatz zu erhalten.“ Mendes Godinho mahnt: „Junge Menschen sind die ersten, die in der Krise entlassen werden. So war das auch in Portugal. Deswegen brauchen wir spezifische Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sowie besondere Berufsausbildungsprogramme, um den Bedürfnissen digitaler Unternehmen gerecht zu werden.“ Und auch Hubertus Heil sagt: „Wo immer es geht, müssen wir über gute Ausbildungs- und Arbeitsplätze die Chancen für junge Menschen erhöhen.“

Rechtsdurchsetzung

Oftmals fehle es nicht nur an den notwendigen Gesetzen, sondern es sei in vielen Bereichen auch ein bessere Rechtsdurchsetzung notwendig, betont Hubertus Heil beispielsweise mit Blick auf die Zustände in der deutschen Fleischindustrie. „Wir brauchen den Schutz der schutzbedürftigsten Beschäftigten“, sagt er. Für eine bessere Rechtsdurchsetzung in Europa brauche es besseren Austausch unter den Mitgliedsstaaten, aber auch die notwendige Aufklärung der Beschäftigten. Denn wer seine Rechte nicht kenne, könne sie auch nicht einklagen. Das bekräftigt auch die rumänische Arbeitsministerin Violeta Alexandru: „Informationen sind entscheidend. Es ist die Aufgabe unserer beider Länder, die Beschäftigten zu informieren. Unsere Arbeitsaufsicht muss eng zusammenarbeiten. Das ist ganz, ganz entscheidend, wenn Rumänen befristet ins Ausland gehen, um dort zu arbeiten.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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