EU-Haushalt: Warum das Parlament den Wiederaufbaufonds blockiert
European Union 2018 - Source : EP
Tagelang wurde gestritten, gerungen, um jeden Satz gefeilscht, bis sich beim EU-Gipfel schließlich die Regierungschefs der EU-Länder einig waren über die 1,8 Billionen Euro, mit denen der Wiederaufbau nach der Corona-Krise finanziert werden soll. Doch jetzt grätscht das EU-Parlament dazwischen. Warum eigentlich – und dürfen die das überhaupt?
Um was es geht: Wiederaufbaufonds und Haushalt
Es ist das große Paket, um Europa aus der Krise zu holen: Bei dem EU-Gipfel haben die europäischen Staats- und Regierungschefs einen Wiederaufbaufonds und Eckpunkte für den EU-Haushalt der kommenden Jahre verabschiedet. Zusammengerechnet geht es um eine Summe von 1,8 Billionen Euro. Eine gewaltige Summe, die über bisherige Haushaltspläne der Europäischen Union weit hinaus geht.
Dass sich nun Widerstand im Europäischen Parlament regt, liegt dabei gar nicht an der Summe an sich, wie die SPD-Europaabgeordnete Delara Burkhardt erklärt – sondern vor allem daran, wie das Geld verteilt werden soll und wer darüber entscheidet. „Wir akzeptieren nicht jeden Deal, den uns der Europäische Rat vorschlägt“, sagt Burkhardt über das Verhandlungsergebnis.
Was das Parlament stört: Die fehlende Mitbestimmung
Denn nur über die Hälfte der Gelder– nämlich den Haushalt – darf das Parlament mitentscheiden. Die Gelder aus dem Wiederaufbaufonds sollen von der EU-Kommission verwaltet und verteilt werden, ohne Einspruchsrecht des Parlaments. Hinzu kommt: Der Haushalt wurde beschnitten, weil einzelne Länder – Burkhardt nennt sie die „geizigen vier“ Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden, – Rabatt bei ihren EU-Beiträgen bekommen haben. Das Parlament darf also über weniger Geld als bisher entscheiden, während die Kommission den Wiederaufbaufonds verwalten soll, ohne dass die demokratisch gewählten Abgeordneten mitentscheiden dürfen. Das stößt den Parlamentarier*innen sauer auf – und zwar quer durch die Fraktionen. „Das Parlament hat deswegen relativ geschlossen abgestimmt“, sagt Delara Burkhardt, „und auf die Eckpunkte mit einer Resolution geantwortet“. Tatsächlich gab es bei der Abstimmung nur einige wenige Gegenstimmen aus dem rechtskonservativen bis europafeindlichen Lager – darunter Abgeordneten der Länder, die von den Rabatten profitieren sollen.
In der EU-Resolution fordert das Parlament unter anderem Nachbesserung bei den Vergabekriterien – also den Bedingungen, nach denen die einzelnen Länder EU-Gelder beantragen dürfen. Burkhardt, die vor allem für eine zukunftsfähige Wirtschaft und einen nachhaltigen Wiederaufbau kämpft, ärgert sich vor allem über den Stellenwert, den der Klimaschutz jetzt bekommen soll. „Das ist nur eines von sieben Kriterien“, erklärt Burkhardt, Aspekte wie Nachhaltigkeit und Klimaneutralität sollten aber über allen anderen Dingen stehen. „So ist das sehr vage und kann umgangen werden“, kritisiert die umweltpolitische Sprecherin der SPD-Abgeordneten im Europaparlament. „So haben wir uns das auch nicht vorgestellt“, sagt sie mit Blick auf den monatelang unter Federführung von Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermanns erarbeiten „Green Deal“ für Europa.
Wie es weitergeht: Verhandlungen nach der Pause
Nach der Sommerpause des Parlaments Ende August sollen nun die Verhandlungen zwischen Parlament und Rat weitergehen – mit Deutschland als Vermittler, da das Land derzeit die Ratspräsidentschaft innehat. „Wir werden erst zustimmen, wenn der Rat auf uns zugeht“, gibt sich Burkhardt selbstbewusst. Natürlich strebe man eine schnelle Einigung an, „aber bis dahin wird es noch ein weiter Weg sein“. Geht es nach der Europaabgeordneten sollte der „Green Deal“ die Leitlinie für den Wiederaufbau sein, also die sozialökologische Transformation Europas hin zu einer nachhaltigen, klimaneutralen und umweltfreundlichen Wirtschaft und Gesellschaft. Dafür brauche es aber mehr Geld für Klimaschutz, Umweltschutz und verbindlichere Kriterien als es sie jetzt gibt. „Wenn wir schon so viele Milliarden mobilisieren, dann sollten wir sie nicht in die Wirtschaft von gestern stecken“, fordert Burkhardt, „sonst stehen wir am Ende schlechter da als vorher“.
Der erste Entwurf zu dem Klimaschutz- und Investitionsprogramm wurde bereits im Dezember vorgestellt – also noch bevor die Corona-Pandemie eine globale Wirtschaftskrise auslöste. Timmermanns und andere Befürworter*innen bezeichnen den „Green Deal“ auch als „sozialökologische Wende“, es geht auch um Gerechtigkeit gegenüber kommenden Generationen. Der Wiederaufbau dürfe nicht auf Kosten der Zukunftsfähigkeit der EU gehen, erklärt auch Jens Geier, Vorsitzender der SPD-Europaabgeordneten: „Inakzeptabel sind die geplanten Kürzungen in den EU-Programmen für den sozialen Wandel, den europäischen Green Deal und eine faire Digitalisierung. Wir wollen ein starkes, soziales und nachhaltiges Europa.“
Warum ein guter „Green Deal“ so wichtig ist
Mit der Haushaltsplanung jetzt zeigt sich, wovor Timmermanns schon im Mai gewarnt hatte: Durch die Krise ist viel Geld verloren gegangen, das an vielen Stellen im EU-Haushalt eingeplant war – stattdessen müssen nun neue Schulden aufgenommen werden. „All das Geld, das der Wirtschaft helfen soll, das jetzt verfügbar gemacht wird, können wir nur einmal investieren“, erklärte er damals in einem offenen Online-Dialog mit Delara Burkhardt. Umso wichtiger sei es, so sein Tenor vor zwei Monaten, das Geld auch an der richtigen Stelle zu investieren. Eine nicht zukunftsfähige, klimaschädliche Wirtschaft zu stützen, sei der falsche Weg und würde nur noch mehr Schulden und Klimaschäden der nachfolgenden Generation aufbürden.
Entsprechend deutlich ist auch Burkhardts Kritik an dem Kompromiss, der auf dem EU-Gipfel gefunden wurde: „Europas Zukunft gibt es nicht zum Sparpreis. Dessen waren sich einige Regierungschefinnen und Regierungschefs wohl leider nicht bewusst. Wie auf dem Fischmarkt wurde um Rabatte gefeilscht. Die europäische Problemlösung verkam zur Nebensache.“