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Erster Dialog seit über 30 Jahren

von Ramon Schack · 21. August 2012

Sharzad Hosseini und Oren Osterer leben als Paar in München. Sie ist gebürtige Iranerin, er Israeli. Gemeinsam unterstützen sie die  Internet-Aktion "Iran loves Israel/Israel loves Iran". Über ihre Hoffnungen, was dieser erste Dialog seit über 30 Jahren bewegen kann, ein Interview mit vorwärts.de.

vorwärts.de: Frau Hosseini, Herr Osterer, ein Interview mit dem scheidenden Minister für innere Sicherheit Matan Vilnai hat in Israel für Unruhe gesorgt. Ein Krieg gegen den Iran würde etwa 30 Tage dauern, an mehreren Fronten stattfinden, sowie ca. 500 israelische Todesopfer fordern, ließ Vilnai verlautbaren. Hat Sie  dieses Interview beunruhigt?

Sharzad Hosseini: Mich beunruhigt es jedes Mal, wenn es um Krieg geht. Ich habe Angst um meine Familie und Freunde im Iran. Jedoch glaube ich,  dass es sich bei diesem Interview um einen Bluff handelt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Israel den Iran ohne die Unterstützung der USA angreifen wird.

Oren Osterer: Die Situation war schon vor dem Interview beunruhigend und weitestgehend undurchsichtig. Blufft Israel? Meint der Iran es Ernst mit seinen Vernichtungsphantasien gegenüber dem jüdischen Staat? Wo genau stehen die Amerikaner, die EU, China und Russland in diesem Konflikt? Wie wird Deutschland im Ernstfall reagieren? Ich schätze die Wahrscheinlichkeit eines israelischen Alleingangs ebenfalls als gering ein.

Warum unterstützen die Internet-Aktion "Iran loves Israel/Israel loves Iran"?

Sharzad Hosseini: Perser und Juden haben eine gemeinsame Geschichte von Freundschaft, die 2500 Jahre zurückreicht. Ich fand es immer schade, dass Israelis und Iraner keinen Kontakt zueinander haben und nichts von einander wissen. Diese Kampagne baut Stück für Stück die Wand zwischen Iranern und Israelis ab. Als wir Iraner eine Friedensbotschaft aus Israel erhalten haben, haben wir sofort drauf geantwortet.

Oren Osterer: Es war die richtige Botschaft, um zu zeigen, dass der Konflikt nicht zwischen den Menschen der beiden Länder besteht. Mittlerweile hat sich die Kampagne weiter entwickelt. Neuere Botschaften, wie z.B. "Not ready to die in your war" kann ich, trotz Sympathie nicht unterstützen. Vielleicht verstehe ich den symbolischen Wert hinter solchen Aussagen nicht klar genug, andererseits sehe ich es nicht als meine Aufgabe moralischen Druck auf die Menschen in Israel auszuüben. Die überwiegende Mehrheit der Israelis hat immer ihren moralischen Anspruch im Auge, gerade auch wenn schwere Entscheidungen zu treffen sind.

Sind Sie der Auffassung, sie können durch eine Internet-Initiative innenpolitische Entscheidungsprozesse beider Länder beeinflussen?

Sharzad Hosseini: Die Kampagne ist nicht da um die Politik zu ändern. Sie möchte einen Dialog schaffen und damit vor allem die Vorurteile aus der Welt schaffen. Wie der Gründer der Facebook-Kampagne Ronny Edry selber sagt, er möchte mit dieser Kampagne die Menschen bewegen.

Oren Osterer: In Israel hat die öffentliche Meinung natürlich Einfluss auf die Politik. Für die Iraner allerdings gibt es keine Möglichkeit, auf die Politik des Regimes Einfluss zu nehmen. Nicht über das Internet und auch dann nicht, wenn sie zu Millionen auf die Straße gehen, wie es 2009 nach den Präsidentschaftswahlen der Fall war.  Wegen dieser Asymmetrie kann die Kampagne vorrangig "nur"einen Dialog zwischen Israelis und Iranern herstellen; der erste seit über 30 Jahren. Von einem gewöhnlichen Telefonanschluss im Iran kann man Israel nicht anrufen, die Landesvorwahl ist gesperrt.

Welche Reaktionen haben Sie bisher erfahren?

Oren Osterer: Die meisten Reaktionen aus Israel waren positiv. Aber es gab auch bedenkliche Stimmen. Hier spiegelt sich nichts anderes wieder als die innerisraelische Kontroverse über den Atomkonflikt mit dem Iran. Wenn Lage und Anlass nicht so ernst wären, würde man von einer "gesunden" Debatte sprechen.

Sharzad Hosseini: Auch aus dem Iran kamen mehrheitlich positive Reaktionen. Viele Iraner haben allerdings Angst, ihre wahre Identität zu offenbaren oder ihre Gesichter zu zeigen. Das ist vor dem Hintergrund der Repressalien des Regimes allzu verständlich.

Welche Kritik gab es?

Oren Osterer: Die meiste Kritik, die mir entgegengebracht wurde, stammt nicht aus Israel, sondern von Personen aus Europa. Da wird vermutet, es handele sich um eine naive pazifistische PR-Kampagne, die Israels Sicherheit gefährde. Auch war von einer fünften Kolonne innerhalb Israels die Rede. Richtig ernst kann ich diese Kritik nicht nehmen. Eine Kampagne von Israelis, die sich Sorgen um ihre Zukunft und die ihrer Kinder machen, hat meinem Empfinden nach mehr Legitimität, als die besserwisserischen Stimmen von außen - egal ob für oder gegen ein militärisches Vorgehen. 

Iran und Israel haben keine gemeinsame Grenze und nie Krieg gegeneinander geführt. Unter der Herrschaft des Schahs, vor allem seit den 1960er Jahren, glich die Beziehung beider Staaten einer Art strategischen Allianz. Haben Sie die Hoffnung, eines Tages könnte dies wieder ähnlich sein?

Oren Osterer: Der Iran führt sehr wohl ständig Krieg gegen Israel und zwar über seine Stellvertreter Hamas und Hizbollah. Ab dem Moment im Frühjahr 1979, als die Mullahs im Iran die Macht übernahmen, wurden die guten Beziehungen der beiden Staaten völlig zerstört. Mit der Islamischen Republik Iran in ihrer heutigen Form und ihrem faschistoiden Regime lässt sich da nichts machen.

Sharzad Hosseini: Ich bin mir sicher, dass Iraner und Israelis irgendwann eine gute Beziehung führen werden. Natürlich nicht unter der Herrschaft der islamischen Republik. Die meisten Iraner sind nicht glücklich darüber, dass unser Geld in großen Umfang an Terror-Gruppen geht, die einen Kampf gegen Israel führen, der nicht unserer ist. Gleichzeitig sind soziale Leistungen im Iran unterentwickelt, die Inflation liegt bei über 50% und, wie zuletzt erlebt, gab es keine staatliche Hilfe für Erdbebenopfer. Aber meiner Meinung nach werden auch die Mullahs irgendwann gestürzt. Mit solchen Kampagnen werden unsere Kinder nicht mehr die Vorurteile haben, die unsere Generation und die davor hatten.

Frau Hosseini, haben Sie bei Herrn Osterer Eigenschaften entdeckt, die auch als "typisch iranisch" gewertet werden könnten?

Sharzad Hosseini: Israelis und Iraner haben einen sehr ähnlichen Humor. Man erzählt sich ständig Witze und lacht viel über sich selbst und den anderen, was einem nicht übel genommen wird. Allein die Tatsache, dass wir hauptsächlich auf Deutsch miteinander sprechen, erinnert mich immer wieder daran, dass Oren kein Iraner ist. Außerdem scheint Oren beim Essen einensehr iranischen Geschmack zu haben.

Wie schaut es da bei Ihnen aus, Herr Osterer? Haben Sie typisch "israelische Verhaltensweisen" bei Frau Hosseini entdeckt?   

Oren Osterer: Ich sehe viele Gemeinsamkeiten in der Mischung aus Gelassenheit, Optimismus, aber durchaus auch anpackender Konsequenz, mit der Probleme angegangen und bewältigt werden. Das Lebensgefühl im Nahen Osten ist ein anderes, es ist wegen der allgemeinen politischen Anspannung intensiver. Das kenne ich aus Israel und sehe das auch bei Shahrzad.

 

 

Autor*in
Ramon Schack

ist Politologe und Journalist.

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