Die sozialistische Regierung zu Fall zu bringen, davon träumt die rechte Opposition in der Nationalversammlung. Daraus wird vorerst nichts.
Die sozialistische Regierung zu Fall zu bringen, davon träumt die rechte Opposition in der Nationalversammlung. Daraus wird vorerst nichts: Klare Abfuhr für den Misstrauensantrag der Konservativen gegen die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Regierung im Parlament: 287 Abgeordnete müssten für ihn stimmen, um den Premier zu verjagen, 228 waren es nur. Idealer Anlass für Regierungschef Jean-Marc Ayrault also, der Öffentlichkeit die Regierungspolitik noch deutlicher zu erklären.
Angenehm war es an diesem Tag im Plenum der Kammer allerdings nicht. Wenige Stunden zuvor war Haushaltsminister Jérome Cahuzac zurückgetreten, weil die Pariser Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen eines Schwarzgeldkontos in der Schweiz ermittelt. Der gelernte Schönheitschirurg nahm eine Schlüsselstellung im Kabinett ein, weil er versprochene Reformen von Francois Hollande zu finanzieren hatte. Für die Rechte ein Zuckerschlecken, nahm sie doch an, die regierenden Sozialistenmehrheit würde schockerstarrt auftreten. Doch der Präsident hatte in wenigen Stunden Cahuzac entlassen und einen Nachfolger ernannt. In der Debatte um den Antrag war der Politiker schon vergessen.
Mehr erreicht als die Rechten
Ayrault, lange Zeit Oberbürgermeister der Atlantikhafenstadt Nantes, zeigte sich kämpferischer denn je: "Ich weiß, wohin ich gehe. Ich weiß, wo ich ankomme. Ich weiß, wie Frankreich am Ende unserer Regierungszeit aussieht!“ Der Premier wies die Oppositionspartei UMP des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy, die immer wieder Zweifel über Richtung und Orientierung der Reformpolitik äußerte, entschieden zurück. Und noch einmal legte Ayrault nach: "Die Linke hat in 10 Monaten mehr angestoßen als die Rechte in zehn Jahren!“
Kann sich der Katalog der bisherigen Erfolge sehen lassen? Deutlicher denn je bringt Ayrault ein neues französisches Modell ins Spiel. Aber nicht von den Deutschen abgekupfert, wie ihm oft vorgeworfen wird. Der Kern der Reformen sei die Sanierung der Industrieproduktion in Frankreich. Eine der ersten Maßnahmen war denn auch, die Steuerentlastung für Unternehmen in Höhe von 20 Milliarden Euro zu beschließen.
Hohe Bonuszahlungen in der Privatwirtschaft begrenzen
Weiter kündigte die Regierung eine Besteuerung von Millioneneinkommen mit 75 Prozent an. Der Verfassungsrat blockierte die geplante Reichensteuer jedoch als zu hoch und ungerecht, jetzt will die Regierung 66 Prozent durchsetzen. Die Schweizer Volksbefragung über Millionenverdienste hat auf Paris mächtigen Eindruck gemacht: Jetzt erwägt die Regierung, nach dem Schweizer Beispiel, per Gesetz hohe Bonuszahlungen in der Privatwirtschaft zu begrenzen.
In den ersten Monaten beschloss die Regierung tausende Ausbildungs- und Arbeitsverträge für Jugendliche zwischen 16 und 26 Jahren. Jedes Unternehmen sollte einen Meister mit der Ausbildung eines jungen Mannes benennen. Im Sommer wird in Paris eine Bilanz gezogen und nachgebessert. Die wachsende Arbeitslosigkeit – die Organisation OECD rechnet mit 11,3 Prozent bis Ende 2013 - lässt sich Hollande nicht anlasten: Seit 10 Jahren, weist er nach, hätten seine Amtsvorgänger kein Konzept gefunden, das Erwerbslosenheer zu verkleinern. Zusätzliche Maßnahmen: 60.000 neue Lehrer werden eingestellt. Der staatlich geförderte Wohnungsbau soll den Bau von 150.000 Sozialwohnungen im Jahr ermöglichen.
Kleine Geste, große Wirkung
Weiter ist eine kleine Rentenreform geplant. Wer 41 Jahre eingezahlt hat, soll mit 60 ohne Abschläge in Rente gehen können. Andere populäre Beschlüsse: Der Benzinpreis wurde für 3 Monate eingefroren. Das Kabinett mit Hollande an der Spitze kürzte sein Gehalt um 30 Prozent. Die Schulstarthilfe wuchs um 25 Prozent – eine kleine Geste mit großer Wirkung. Die Mehrwertsteuererhöhung unter Sarkozy wird zurückgenommen.
Ayrault ließ sich in der Debatte von seinem Herausforderer Jean-Francois Copé, dem Generalsekretär der UMP, nicht provozieren. Copés Kritik versandete in Polemik, selbst seine Fraktion spendete ihm für seine Ansammlung von Gemeinplätzen kaum Beifall. Die Linksregierung kann sich jetzt auf ihre Arbeit konzentrieren. Der Tadelsantrag war souverän abgeschmettert worden. Die Abgeordneten zitieren wieder eine Parole des Staatschefs: Das Einzige, was zählt, ist der Zustand Frankreichs in fünf Jahren. Nur danach will ich beurteilt werden!“ Hollandes Popularitätskurve zeigt derzeit nach unten. Ende März will er erneut im Fernsehen sprechen. Man darf auf Reaktionen und Umfragen gespannt sein.
ist Auslandskorrespondent in Frankreich für verschiedene Tageszeitungen und Autor mehrerer politischer Bücher, u. a. „Willy Brandt – ein politisches Porträt“ (1969).