Elke Ferner: Chance für Griechenland nicht kaputt reden
Bei den letzten Parlamentswahlen in Griechenland ist der Klientelismus von der griechischen Bevölkerung abgewählt worden. Sowohl der konservativen Nea Demokratia als auch der sozialistischen PASOK haben die Wählerinnen und Wähler das Vertrauen entzogen. Syriza ist nicht gewählt worden, um den Klientelismus fortzusetzen, sondern um ein tragfähiges Hilfspaket mit den Geldgebern zu verhandeln und vor allem dem Land und der Bevölkerung wieder eine Zukunftsperspektive zu geben.
Schwer verdauliche Kost für Griechenland
Das dritte Hilfspaket liegt nun auf dem Tisch. Die griechische Regierung und das Parlament haben es bereits akzeptiert. Die Oppositionsparteien haben der Versuchung widerstanden, das Paket abzulehnen, obwohl die Regierung Tsipras keine eigene Parlamentsmehrheit zustande gebracht hat. Das gibt Anlass zur Hoffnung. Auch die ND und die PASOK haben verstanden, dass es um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunftsfähigkeit ihres Landes geht. Sie haben zugestimmt, obwohl auch dieses Hilfspaket in der Bevölkerung alles andere als beliebt ist.
Das 36-seitige Memorandum of Understanding enthält für viele Griechinnen und Griechen schwer verdauliche Kost, insbesondere im sozialen Bereich. Es beinhaltet aber auch Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption, Verbesserung des Steuervollzugs, Verschlankung der Verwaltung, Privatisierung von Staatsunternehmen u.v.a.m. Das dritte Programm wird von den Institutionen überwacht werden und die griechische Regierung wird technische Hilfe insbesondere bei der Modernisierung der Verwaltung erhalten. Man muss sich nur vorstellen, was es bedeuten würde, wenn die Maßnahmen des dritten Hilfsprogramms bei uns in Deutschland umgesetzt werden müssten, so wie es Werner Kolhoff vor einigen Wochen in der Saarbrücker Zeitung getan hat.
Klientelismus sieht wahrlich anders aus
Griechenland und insbesondere die griechische Bevölkerung haben noch schwere Jahre vor sich. Jetzt kommt es darauf an, dass die griechische Regierung die -endlich!- im dritten Hilfspaket enthaltenen Wachstumsimpulse nutzt, um Wirtschaftswachstum zu generieren, damit die Krise überwunden werden kann. Insbesondere die junge Generation braucht endlich eine Perspektive im eigenen Land.
Zu suggerieren, die Gelder aus dem Hilfspaket stünden der griechischen Regierung zur freien Verfügung, führt in die Irre. Der Löwenanteil ist für die Refinanzierung laufender Kredite und zur Rekapitalisierung der Banken vorgesehen. Für den Rest müssen erst konkrete Maßnahmen entwickelt werden, mit denen die griechische Wirtschaft angekurbelt wird und gezielt in zukunftsträchtige Bereiche investiert werden kann.
Diese Chance sollte jetzt genutzt und nicht kaputt geredet werden.
Einen kritischen Beitrag zum dritten Hilfspaket lesen Sie hier
ist Mitglied im Vorstand des Deutschen Frauenrates. Von 2013 bis 2017 war sie Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ferner war Mitglied im SPD-Parteivorstand sowie ASF Bundesvorsitzende.