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Elizabeth Warren: Die Frau, die Hillary Clinton zur Präsidentschaft verhelfen könnte

Vizepräsidentschaftskandidatin ist sie nicht geworden. Trotzdem könnte Elizabeth Warren eine entscheidende Rolle für den Wahlkampf von Hillary Clinton spielen – weil sie Wähler anspricht, die Clinton selbst nur schwer erreicht.
von · 27. Juli 2016
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Elizabeth Warren ist es nicht geworden. Statt der 67-jährigen Senatorin aus Massachusetts ist Tim Kaine Hillary Clintons Vizepräsidentschaftskandidat. Der Senator aus Virginia ist eine sichere Wahl – aber auch eine langweilige. Er ist moderat und nett, ganz anders als Warren. Die wurde in letzter Zeit vor allem durch ihre sogenannten „Tweetstorms“ bekannt: eine Abfolge von wütenden Tweets, in denen sie den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump hart anging. „Die Sache ist“, schrieb Warren auf Twitter, „du kannst einen Tyrannen schlagen – nicht, indem du den Schwanz einziehst und wegrennst, sondern, indem du dich behauptest.“

Kämpferin für die Mittelschicht

Sich behaupten, damit hat Elizabeth Warren kein Problem. Sie sitzt seit 2012 im Senat und hat sich dort einen Ruf als Kämpferin für die Mittelschicht und gegen die Wall Street erworben. Warren will das Finanz- und Bankensystem sicherer machen, zukünftige Finanzkrisen durch Bankenregulation verhindern.

Bevor sie in die Politik ging, war Warren Professorin für Recht und lehrte u.a. an der prestigeträchtigen Harvard Law School. Mehrfach wurde sie auf die TIME-Liste der hundert einflussreichsten Menschen weltweit gewählt. Warren war die erste in ihrer Familie, die einen Uni-Abschluss machte – und das auch noch als sie im neunten Monat schwanger war. Eine Demokratin war die Senatorin allerdings nicht immer, sondern bis 1996 Mitglied der republikanischen Partei.

Warren und Clinton haben nicht viel gemeinsam

Eine Tatsache, die Warren mit Clinton verbindet: Letztere unterstützte 1964 den erzkonservativen Republikaner Barry Goldwater bei seiner erfolglosen Präsidentschaftskandidatur. Außer weit zurückliegenden Sympathien für republikanische Ideen haben die beiden Frauen jedoch nicht viel gemeinsam – Warren hat Clinton in der Vergangenheit öffentlich kritisiert. Kein Wunder: Warren ist eine große Kritikerin der Wall Street, Clinton und ihr Ehemann Bill hingegen setzten beim Wahlkampf immer wieder auf die Unterstützung reicher Investoren. Warren gehört zum linken Rand der Demokraten und hat kein Problem, sich mit dem Partei-Establishment anzulegen – Clinton ist Teil dieses Establishments.

Kein Wunder also, dass Elizabeth Warren sich während der Vorwahlen betont zurückhielt und weder Bernie Sanders noch Hillary Clinton offiziell unterstützte. Viele demokratische Wähler und Parteimitglieder hätten sich sowieso eine eigene Kandidatur Warrens gewünscht – oder zumindest eine offizielle Unterstützung von Sanders. Erst nach der letzten Vorwahl im Juni erklärte Warren öffentlich, Clinton zu unterstützen: „Wir sind hier mit jemandem, der jeden einzelnen Tag aufsteht und für uns kämpft“, sagte sie. „Wir sind hier, um Seite an Seite mit Hillary Clinton zu kämpfen“. Es war eine überraschend enthusiastische Aussage – die die Spekulationen über Warrens zukünftige Rolle während des Wahlkamps, in der Partei und vielleicht sogar in der zukünftigen Regierung anheizen.

Warren wäre als Vizepräsidentin ein Risiko für Clinton gewesen

Elizabeth Warrens größter Vorteil ist ihre Persönlichkeit. Sie ist in Amerika bereits ein Haushaltsname, man kennt sie und weiß, wofür sie steht. Diese Positionen dürften es aber auch gewesen sein, die Warren als Vizepräsidentschaftskandidatin disqualifizierten. Ihre Kritik an der Finanzindustrie und an ungleich verteiltem Reichtum hätten es Clinton schwer gemacht, die Demokraten als die Partei zu inszenieren, die von Trump entsetzten Industriebossen eine neue politische Heimat bietet. Clinton ist außerdem von der finanziellen Unterstützung der Wall Street abhängig – eine Vizepräsidentin Warren hätte bedeuten, diese Basis durch eine Reihe kleinerer Spender zu ersetzen.

Elizabeth Warren war von Beginn an die schillerndste, aber auch die unwahrscheinlichste Vizepräsidentschaftskandidatin. Doch auch wenn sie nicht Clintons „running mate“ ist: Clinton wird in den kommenden Monaten nicht auf Warren verzichten können. Da wären zunächst einmal die enttäuschten Partei-Linken und Sanders-Fans: Die Wahl von Tim Kaine als Vizepräsidentschaftskandidat dürfte bei ihnen kaum Begeisterungsstürme auslösen.

Viele Warren-Fans unter jungen Feministinnen

Wenn Clinton die Partei hinter sich vereinen will, muss sie diesem Lager signalisieren, dass sie seine Anliegen und Positionen ernst nimmt. Ein erstes, wichtiges Signal ist die Tatsache, dass Bernie Sanders auf dem Parteitag der Demokraten in einer fulminanten Rede für eine Präsidentin Clinton geworben hat. Ein anderes, wichtiges Signal wäre es, auch Warren einen prominenten Platz im Wahlkampf einzuräumen. Eine Rede auf dem Parteitag hat sie bereits gehalten.

Denn mehr noch als Parteieinigkeit zählt für Clinton, Wählerstimmen zu sammeln. Sanders und Warren verfügen bei öffentlichen Auftritten beide über das Charisma, das Clinton so oft fehlt. Beide sprechen die jungen Wähler an, die Clinton gegenüber eher skeptisch sind: Sanders kommt bei jungen Leuten, den sogenannten „Millenials“ sowieso gut an. Warren hat insbesondere unter jungen Feministinnen, denen Clinton zu konservativ und realpolitisch ist, viele Fans.

Wenn Hillary Clinton schlau ist, lässt sie Bernie Sanders und Elizabeth Warren in den kommenden Monaten bis zur Wahl also einfach das machen, was die beiden am besten können: den Schwanz nicht einziehen und sich behaupten.

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