Einigung in Brüssel: EU-Rechtsstaatsmechanismus kommt
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Die Zahlung von EU-Geldern wird künftig an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien gekoppelt sein. Die EU-Staats- und Regierungschef*innen haben sich bei ihrem Treffen in Brüssel am Donnerstag auf die Einführung eines sogenannten Rechtsstaatsmechanismus verständigt. Ungarn und Polen hatten diesen lange blockiert, weil sie eine Einmischung der EU in innere Angelegenheiten befürchten. Die rechtskonservativen Regierungen beider Länder fallen seit Jahren durch Einschränkungen der Demokratie auf.
Ungarn und Polen setzen auf Zusatzerklärung
„Die EU hat sich nicht erpressen lassen, der Rechtsstaatsmechanismus kommt“, freut sich die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley. „In Wahrheit müssen Orbán und Kaczyński klein beigeben, auch wenn sie es zu Hause als Erfolg verkaufen.“ Barley spielt damit auf einen Passus an, den der Ungar Orbán und der Pole Kaczyński zur Bedingung ihrer Zustimmung gemacht hatten: Der Rechtsstaatsmechanismus wird mit einer Zusatzerklärung versehen, in der u.a. festgelegt ist, welche rechtlichen Möglichkeiten Länder haben, sich gegen die Anwendung des Mechanismus zu wehren. Sie können etwa das Verfahren vom Europäischen Gerichtshof überprüfen lassen, was die Anwendung verzögern würde. Zudem ist in der Zusatzerklärung festgehalten, dass der der Verstoß gegen die Rechtsstaatsprinzipien negative Auswirkungen auf die Verwendung von EU-Geldern hat, um finanzielle Auswirkungen zu haben.
„An der künftigen Grundwertebindung von EU-Geldern kann eine einseitige Erklärung des Rates nichts ändern“, sagt dennoch Katarina Barley. „Orbán hat lediglich etwas Zeit erkauft, weil er sich bis zu den nächsten Wahlen in Ungarn weiter die Taschen mit europäischem Geld voll machen will.“ Die Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof könne aber schnell erfolgen. Bereits am Morgen hatte Barley in einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“ angeregt, das Europäische Parlament könne das Gericht selbst anrufen, um das Verfahren zu beschleunigen.
Das wichtigste Investitionsprogramm Europas der kommenden Jahre
Erleichtert zeigt sich auch der Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im Europaparlament, Jens Geier, dass mit der Einigung der EU-Haushalt für die kommenden sieben Jahre sowie die milliardenschweren Corona-Wiederaufbauhilfen stehen. „Dass hilfsbedürftigen Regionen auch Zuschüsse statt allein Kredite für den Wiederaufbau gezahlt werden sollen, ist ein großer Fortschritt und nicht zuletzt den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der deutschen Bundesregierung zu verdanken“, sagt Geier.
Der europäische Wiederaufbaufonds sei „das wichtigste Investitionsprogramm Europas in den kommenden Jahren und ein großer Fortschritt in der europäischen Zusammenarbeit“. Der Fonds hat ein Gesamtvolumen von 750 Milliarden Euro und soll dazu dienen, den von der Corona-Krise besonders betroffenen Staaten unter die Arme zu greifen. Dafür nimmt die Staatengemeinschaft erstmals auch gemeinsame Schulden auf. „Mit dieser Einigung über den Gesamthaushalt und den Wiederaufbaufonds kann die EU den Bürgerinnen und Bürgern Auffangnetze zu knüpfen und diese Krise überwinden. Europa muss fairer, sozialer und nachhaltiger werden“, sagt Jens Geier.
Der EU-Ministerrat sowie das Europaparlament werden über die offenen Punkte in den kommenden Tagen abstimmen. Eine Zustimmung gilt als sicher.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.