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Ein großer Tag der Freude für die deutsch-französische Freundschaft

Am 22. Januar würdigen Deutschland und Frankreich ihre Freundschaft. Nils Schmid, außenpolitscher Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, erklärt, wo es in den gemeinsamen Beziehungen rund läuft und wo es hakt. In einem sehr umstrittenen Punkt unterstützt er Präsident Emmanuel Macron.
von Lars Haferkamp · 21. Januar 2020
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Nils Schmid, der 22. Januar ist der Tag der deutsch-französischen Freundschaft, zur Erinnerung an den 22. Januar 1963, als Adenauer und de Gaulle den Elysee-Vertrag unterschrieben. Ist dieser Tag ein Grund zum Feiern oder auch einer zur Sorge?
Das ist ein großer Tag der Freude. Eine Beziehung, die charakterisiert war von einem Gegeneinander, dann zu einem Nebeneinander und heute zu einem intensiven Miteinander geworden ist.

Am 22. Januar des letzten Jahres haben die deutsche und die französische Regierung mit dem Vertrag von Aachen den Versuch unternommen, die Beziehungen zu festigen. Wenn Sie heute, ein Jahr später, eine erste Zwischenbilanz ziehen: Ist dieser Versuch gelungen?
Die im Vertrag von Aachen genannten Instrumente laufen noch nicht alle auf Hochtouren, aber sie befinden sich zu mindestens im Startmodus. Beispielsweise findet am 22. Januar die konstituierende Sitzung des Grenzüberschreitenden Ausschusses statt. Die Mitglieder kommen im für uns Deutsche symbolträchtigen Hambacher Schloss zu ihrer ersten gemeinsamen Sitzung zusammen. Auf parlamentarischer Ebene arbeiten wir viel enger als in den Jahren zuvor zusammen. Die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung, bestehend aus je 50 Abgeordneten aus Deutschem Bundestag und Assemblée nationale, trifft sich Anfang Februar in Straßburg zum dritten Mal, um wichtige gemeinsame Fragen, wie zum Beispiel in der Verteidigungspolitik, zu erörtern.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron bemüht sich immer wieder, gemeinsam mit Deutschland außenpolitische Initiativen zu starten, etwa in der Europapolitik. Das stößt bei der Bundesregierung aber meist auf wenig Resonanz. Warum ist das so?
Das würde ich so nicht gelten lassen. Auf Betreiben Deutschlands und Frankreichs ist während der Ukraine-Krise das Normandie-Format eingerichtet worden, um Russland und die Ukraine an den Verhandlungstisch zu bringen. Berlin und Paris halten trotz der Aufkündigung der USA, gemeinsam mit Großbritannien, am Iran-Abkommen fest. Richtig ist allerdings, dass es auf die vielfältigen Vorschläge von Staatspräsident Macron zur Weiterentwicklung der EU, etwa in dessen Sorbonne-Rede, keine als ebenbürtig wahrgenommene Antwort von Bundeskanzlerin Merkel gegeben hat.

Nach der in Paris als frustrierend empfundenen deutschen Passivität kommt es immer häufiger zu Alleingängen Macrons, etwa sein schlagzeilenträchtiges Interview über die „hirntote NATO“. Wie bewerten Sie das?
Mit seiner Äußerung wollte Staatspräsident Macron provozieren und das ist ihm auch gelungen. In der Nato sehe auch ich im Augenblick zu wenig Fantasie und Anstrengungen, um den Dialog mit Moskau zu stärken und vertrauensbildende Maßnahmen voranzubringen. Ungeachtet dessen bleiben die USA Europas wichtigster Verbündeter und Deutschlands wichtiger Verbündeter außerhalb Europas. Das weiß auch Frankreich.

Dass sich Frankreich im letzten Jahr plötzlich gegen die deutsch-russische Erdgaspipeline Nord Stream 2 positioniert hat, war sicherlich kein Beitrag zur Festigung der Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich, oder?
Das sehe ich nicht so. Die französische Initiative hat am Ende dazu beigetragen, dass fast alle EU-Staaten dem deutsch-französischen Kompromissvorschlag zustimmten. Mit der nun überarbeiteten Gasrichtlinie kann Nord Stream 2 zu Ende gebaut werden und wird in den EU-Gasmarkt einbezogen.

Macron setzt sich seit geraumer Zeit für eine Verbesserung der europäisch-russischen Beziehungen ein. Das sehen Polen und die baltischen Staaten ganz anders. Welche Position nimmt Deutschland hier ein?
Selbstverständlich müssen wir die Sorgen unserer östlichen Partnerländer ernst nehmen. Deshalb plädiere ich entschieden für eine Wiederbelebung des Weimarer-Dreiecks und hoffe, dass Präsident Macron bei seinem Staatsbesuch in Polen Anfang Februar dies vorschlägt. Wir leben in einer Zeit, in der wir auf der politischen Weltkarte tektonische Verschiebungen beobachten können. Daher müssen wir Europäer auch über einen Neustart der Beziehungen zu Russland nachdenken. Dies darf aber nicht über die Köpfe unserer ost- und mitteleuropäischen Partner geschehen.

In aktuellen Umfragen hat die Rechtspopulistin Marine Le Pen, Macrons Gegenkandidatin bei der Präsidentschaftswahl 2017 und auch bei der nächsten Wahl 2022, aufgeholt. Was würde ihre mögliche Wahl zur Präsidentin für die deutsch-französischen Beziehungen bedeuten?
Auch in Frankreich stehen wichtige Reformen an, um das Land zukunftsfähig zu machen, die nicht allen gefallen. Ich gehe aber davon aus, dass die französischen Wählerinnen und Wähler auf die rückwärtsgewandte Politik von Le Pen nicht hereinfallen werden.

Die deutsch-französische Freundschaft gründet nicht zuletzt auch auf gute, freundschaftliche Beziehungen der Bürgerinnen und Bürger beider Länder. Wie schätzen Sie diese ein?
Gerade in den Grenzregionen unserer beiden Staaten gibt es längst einen intensiven Austausch zwischen den dort lebenden Menschen. Durch den Vertrag von Aachen wird sich das noch weiter verstetigen. Im Laufe des Frühjahrs wird der gemeinsame Bürgerfonds eingerichtet, um grenzüberschreitende Projekte zu finanzieren.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der deutsch-französischen Freundschaft?
Viele Nachahmer unter unseren europäischen Nachbarn!

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