Am Samstag soll in der Ukraine ein Waffenstillstand vereinbart werden. Das ist das Ergebnis eines Außenminister-Treffens in Berlin. Doch ob der Plan gelingt, ist zweifelhaft.
Die militärische Situation im Osten der Ukraine ist in den letzten Tagen nicht einfacher geworden. Die ukrainische Armee und die sich selbst so bezeichnenden Separatisten liefern sich schwere und verlustreiche Gefechte vor allem im Gebiet von Donezk. Ein dauerhafter Waffenstillstand ist nur sehr schwer zu erreichen. Vor allem deshalb, weil die pro-russischen Kräfte bisher nicht auf die Angebote des ukrainischen Präsidenten reagiert haben. Sie wollen die Abspaltung des Ostens vom Rest des Landes. Politische Reformen in der gesamten Ukraine interessieren sie nicht. Deutschland und Frankreich wollen zusammen mit Russland und der Ukraine den Konflikt deeskalieren und eine Waffenruhe erzielen. Dazu diente auch das Treffen der vier Außenminister in Berlin, zu dem Frank-Walter Steinmeier eingeladen hatte.
Der deutsche Außenminister ist sehr besorgt und warnte vor einer Explosion der Gewalt, die sich weder militärisch noch politisch beherrschen ließe: „Vor diesem Hintergrund müssen wir auch die letzten Möglichkeiten wahrnehmen, das zu verhindern.“ Zusammen mit seinem französischen Kollegen Laurent Fabius saß Steinmeier lange und intensiv mit dem Russen Sergej Lawrow und dem Ukrainer Pawlo Klimkin zusammen. Eine neue Feuerpause ist bei diesen Gesprächen und verschiedenen Telefonaten nicht herausgekommen. Wohl aber eine Art Verständigung über einen Weg sowie ein Maßnahmenbündel, die zu einem Waffenstillstand führen können.
Waffenruhe soll am Samstag vereinbart werden
Die Außenminister einigten sich, dass die Gespräche einer Dreier-Kontaktgruppe aus Russland, der Ukraine und der OSZE wieder aufgenommen werden sollen. Sie soll an diesem Samstag zusammentreten und einen Waffenstillstand anstreben. Während der Waffenruhe werde Russland ukrainischen Grenzschützern Zugang zu Grenzübergangsstellen gewähren, die auf russischem Territorium liegen, heißt es in der Erklärung. Zudem sollen an der ukrainisch-russischen Grenze OSZE-Beobachter eingesetzt werden.
Ein Waffenstillstand wäre sicher im Interesse der Ukraine. Ob er jetzt schon im Interesse der Separatisten ist, ist wenigstens zweifelhaft, solange aus Russland Waffen, Uniformen, Munition und Geräte kommen.
Nach der Aufhebung der vorübergehenden Feuerpause durch Präsident Peroschenko gehen ukrainische Armeeeinheiten verstärkt und massiv gegen die einzelnen Gruppen und Banden vor allem in den Ortschaften Dserschinski und Gorlowka in der Nähe von Donezk vor. Sie werden unterstützt durch Angriffe der ukrainischen Luftwaffe. Die Streitkräfte haben einen neuen Verteidigungsminister: Es ist der 46 Jahre alte Generaloberst Waleri Geletej.
Ukrainische Armee in schlechtem Zustand
Geletej steht vor einer gewaltigen Aufgabe: Seine Armee führt einen Krieg. Sie ist schlecht ausgerüstet, die Soldaten schlecht bezahlt, die Motivation der Soldaten ist nicht hoch. Korruption und Vernachlässigung haben sie, bis auf ganz wenige Einheiten, in den vergangenen 20 Jahren in einen erbarmungswürdigen Zustand gebracht. Das zeigt sich auch bei ihrem Vorgehen in der Ostukraine in zum Teil dicht besiedelten Wohngebieten. Statt mit modernen Präzisionswaffen wird der Feind mit Panzer- und Geschützartillerie bekämpft. Es gibt viele Tote und Verletzte in der Bevölkerung, bei den Streitkräften ebenfalls. Genaue Zahlen gibt es in diesem unübersichtlichen und gefährlichen Konflikt nicht. Unübersichtlich ist die Lage vor Ort auch deshalb, weil es neben den pro-russischen Einheiten und denen der regulären Ukrainischen Armee unterdessen von mindestens einem Oligarchen privat finanzierte Freiwilligeneinheiten gibt. Auch sie kämpfen gegen die Separatisten.
Die Rolle Russlands ist mindestens zweideutig. Der Außenminister spricht im Wesentlichen mit seinen deutschen und französischen Kollegen, mittlerweile aber auch mit dem Ukrainer. Sicher hat Moskau bei der Freilassung der beiden OSZE-Beobachtergruppen eine wichtige Rolle gespielt und bestreitet das auch gar nicht. Schwierig wird es, wenn es um eine Waffenruhe und die Schließung der ukrainisch-russischen Grenze geht, durch die die Kämpfer und die Ausrüstung in den Osten der Ukraine geschleust werden. Damit will Moskau offiziell nichts zu tun haben: Das sei eine innerukrainische Angelegenheit. Das gilt natürlich nicht für die Krim. Deren Annexion ist aus Moskauer Sicht akzeptiert.
ist Journalist, Gast-Dozent für Fernsehdokumentation und -reportagen an der Berliner Journalistenschule und an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin sowie Honorarprofessor im Studiengang Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK).