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Ein Abend mit Hans Matthöfer

von Moritz Felgner · 1. Juli 2009
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Er hatte es sich nicht nehmen lassen, selbst zu kommen. "Heute ist Hans unter uns", begrüßte die FES-Vorsitzende Anke Fuchs den 83-Jährigen. Nils Minkmar von der FAZ moderierte den Abend mit dem Protagonisten des Buches, dem ehemaligen Bundesfinanzminister Hans Matthöfer. Dies ist umso bemerkenswerter, da Matthöfers Abneigung gegen Interviews bereits zu seiner aktiven Zeit bekannt war. Mit dabei waren auch der heutige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, der Autor des vorgestellten Buches Werner Abelshauser und der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller.

Nach dem Wirtschaftswunder

Die Diskussion begann mit dem Hinweis von Werner Abelshauser, dass sein Buch nicht nur als Biographie aufzufassen sei, sondern vielmehr als wirtschaftsgeschichtliche Darstellung einer Ära, die von der Neuorientierung nach dem Wirtschaftswunder geprägt war. Hans Matthöfer stellte sich den Herausforderungen, die die damalige Wirtschaftskrise mit sich brachte. Für Abelshauser war Matthöfer eine der wirtschaftspolitischen Schlüsselfiguren der alten Bundesrepublik.

Der 1925 in Bochum geborene katholische Arbeitersohn bestimmte mit Geradlinigkeit und hoher fachlicher Kompetenz die Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik nach der Ära Adenauer. Die sozialdemokratischen Regierungen von 1966 bis 1982 erlebten einen tiefgreifenden Strukturwandel, der nur dank einer Modernisierung der westdeutschen Industriegesellschaft zu bewältigen war. Fragen nach der Rolle des Staates, der Mitbestimmung und Vollbeschäftigung mussten neu beantwortet werden.

Lehren für die aktuelle Krise

Matthöfers Antworten von damals sind immer noch aktuell. Für den Historiker Abelshauser verdeutlicht die derzeitige Krise, dass der heutigen Politik der wirtschaftspolitische Maßstab fehlt. Hans Matthöfer habe damals dagegen eine wohlüberlegte wirtschaftspolitische Strategie verfolgt. So ging es beim Podiumsgespräch weniger um Abelshausers Buch selbst, als vielmehr um die Frage, ob und wie Erkenntnisse aus den 70er und 80er Jahren zur Lösung der heutigen Finanzkrise beitragen können.

Peer Steinbrück unterstrich in diesem Zusammenhang, dass die besondere Herausforderung des Staates heute darin bestehe, einerseits den Haushalt zu konsolidieren, um langfristig handlungsfähig zu bleiben. Andererseits müssten Investitionen in die Zukunft und dabei insbesondere in Bildung getätigt werden. Matthöfer zeigte sich beeindruckt von der Leistung des Bundesfinanzministers, seines ehemaligen persönlichen Referenten aus den 80er Jahren, dessen Fähigkeiten er als erster erkannt habe. So blies Matthöfer mit seiner Forderung nach Erhöhung der Investitionen in Technologie und Forschung in dasselbe Horn wie sein aktueller Nachfolger. Auch sollten seiner Meinung nach die unteren Einkommensklassen steuerlich entlastet werden, um die Binnennachfrage zu stärken.

Altersrheuma und Geburtsschmerzen

Michael Müller schließlich kam zurück auf das Wirken von Hans Matthöfer. Er habe es verstanden, seinen Einsatz für Technologie, Menschenrechte und als Gewerkschafter eindrucksvoll miteinander zu verbinden. Aus Müllers Sicht prägend war Matthöfers Kampf gegen den spanischen Diktator Franco und sein Engagement für Chile. Zur heutigen Finanz- und Wirtschaftskrise bemerkte Müller, dass wir uns am Anfang einer neuen Phase befänden, in der die Energie- und Technologiefragen bestimmend sind. Das "Altersrheuma der Finanzbranche" verbände sich derzeit mit den "Geburtsschmerzen der Ära der neuen Technologien".

Rezension des Buchs "Nach dem Wirtschaftswunder. Der Gewerkschafter, Politiker und Unternehmer Hans Matthöfer"

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