Dominikanische Republik: Sozialdemokratische Politik, ohne sie so zu nennen
Luis Abinader bleibt Präsident der Dominikanischen Republik. Im Vergleich zu seiner ersten Wahl vor vier Jahren konnte er sein Ergebnis sogar verbessern. Populisten wie Venezuelas Nicolás Maduro hält Abinader erfolgreich auf Distanz.
IMAGO / Xinhua
Der alte und der neue Präsident der Dominikanischen Republik: Luis Abinader bei der Stimmabgabe am vergangenen Sonntag
Es war ein beeindruckendes Ergebnis, das eine Stichwahl unnötig machte. Mit überragenden 62 Prozent der Stimmen hat Luis Abinader die Präsidentschaftswahl in der Dominikanischen Republik gewonnen. Vier Jahre zuvor hatte er noch mit 52 Prozent gewonnen. Neben der Wahl des Präsidenten fanden am Sonntag auch die Wahlen der Senator*innen sowie des Abgeordnetenhauses und der dominikanischen Vertreter*innen in der Parlamentarischen Versammlung Mittelamerikas statt. 8,1 Millionen Wähler*innen im Land und 800.000 im Ausland waren wahlberechtigt.
Letztendlich beteiligten sich 4,3 Millionen. Dass die Beteiligung nicht höher ausfiel lag sicher zum einen am Ausgang der Kommunalwahlen im Februar, die keine wirkliche Wechseltendenz erkennen liessen, sowie der Schwäche der Opposition, die sich neu erfinden und aufstellen muss.
Beeindruckende zivilgesellschafliche Mobilisierung und Partizipation
Bei diesen Wahlen hatte sich die zentrale Wahlkommission selbst den Anspruch gestellt, transparente, integre, sichere und effiziente Wahlen durchzuführen. Beim Empfang der internationalen Wahlbeobachter*innen der „Progressiven Allianz“ und der COPPPAL (Ständige Konferenz der politischen Parteien Lateinamerikas und der Karibik) am Vorabend der Wahlen verkündete Abinader „unabhängig vom Ausgang, die Gewinner dieser Wahlen werden die Dominikanerinnen und Dominkaner sein, denn der Erfolg der Wahlen ist ein Gradmesser unseres demokratischen Fortschritts“.
Doch nicht nur Abinader konnte triumphieren. Auch seine Partei, die „Moderne Revolutionäre Partei“ (PRM) fuhr einen haushohen Wahlsieg ein. Im neuen Senat stellt sie 29 der 32 Senator*innen, davon die einzigen vier Senatorinnen. Im Abgeordentenhaus erhielt der PRM 144 Mandate.
Trotzdem setzt Luis Abinader auch in den kommenden vier Jahren auf den Dialog mit der Opposition, wie er am Tag nach der Wahl klar machte. „Ich habe es schon einmal gesagt und ich wiederhole es: Unabhängig von der großen Mehrheit, die wir im Nationalkongress haben werden, sowohl im Senat als auch in der Abgeordnetenkammer, war die Haltung dieser Regierung immer das Gespräch, den Konsens zu suchen, und das werden wir auch weiterhin tun.“
Transparenz und Wahlbeobachtung
Über das Land verteilt konnten die Bürger*innen in 18.292 Wahllokalen abstimmen. 551 internationale Wahlbeobachter*innen verfolgten die Wahlen im Rahmen von 21 internationalen Wahlbeobachtungsmissionen. Der Zugang wurde nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil wurden die Delegationen sehr herzlich von den Wahlhelfer*innen (insgesamt 91.460), den Wähler*innen und den Wahlbeobachter*innen der in den Mesas de voto(Abstimmungslokalen), sowie der für die Wahlen abgestellten Militärpolizei (ca. 55.000), begrüßt.
Wahlmanipulation, vor allem durch Stimmenkauf, ist sicher nie auszuschlißen, aber durch die massive Partizipation und die Präsenz der durch die Parteien gestellten Beobachter*innen, die von der Öffnung der Wahlbüros bis zum Abschluss der Auszählung präsent waren, konnte Transparenz sicher gestellt werden. Vereinzelt festgestellte oder angeprangerte Unregelmäßigkeiten ändern nichts an diesem Bild. „Neben Chile sind wir sicher die zweitbeste Demokratie in der Region“, sagte ein stolzer Wähler.
Demokratischer Fortschritt
Für den Erfolg der Wahlen und die Konsolidierung der Demokratie fast eine Viertel Millionen Menschen in der Dominikanischen Republik zu mobilisieren, sollte uns Europäer*innen beeindrucken, wird die Dominikanische Republik doch allzu oft auf All-inklusive-Urlaub in Punta Cana reduziert.
Sicher bleiben die Probleme wie Armut und sozialen Ungleichheit, bleiben die Auswirkungen des Nachbarlands und Failed State Haiti weiter bestehende Herausforderungen für die Dominikanische Republik, die nicht innerhalb einer Legislatur gelöst werden kann.
Nach der dominikanischen Verfassung ist die Wiederwahl des Präsidenten nur einmal möglich. Entsprechend muss sich an den Umbesetzungen in der Regierung zeigen, wie ernst Abinader und seine Partei die Nachfolge vorbereiten.
Zusammenarbeit mit Europa
Luis Abinader und sein PRM, die vor zwölf Jahren nach ihrer Abspaltung von der PRD (der Mitgliedspartei der Sozialistischen Internationale - SI) zum ersten Mal bei den Wahlen angetreten waren, haben erfolgreich sozialdemokratische Politik gemacht, ohne diese so zu nennen.
Entspechend hat sich der PRM in der „Progressiven Allianz“ engagiert, war und wird nicht Mitglied der SI werden. Abinader und seine Partei haben einen großen Vertrauensbonus bei der Bevölkerung, wie das Wahlergebnis deutlich macht. Eine vorsichtige Umverteilungspolitik, die Bewältigung der Pandemiefolgen in einem Land, das so sehr vom Tourismus abhängig ist, sowie die glaubhafte Bekämpfung der Korruption haben dazu beigetragen.
Außenpolitisch suchen Abinader und der PRM die Zusammenarbeit mit Europa, halten Distanz zu den Maduros und Ortegas der Region. China ist noch nicht massiv präsent. Diese pragmatische Politik könnten nicht nur der Region ein Bespiel geben. Auf jeden Fall sollten sie ernst genommen werden, auch von der SPD.
Maurice Weiss/Ostkreuz
war bis 2023 Koordinator der „Progressiven Allianz“, einem internationalen Netzwerk von 113 sozialdemokratischen, sozialistischen und progressiven Parteien aus der ganzen Welt.