Dietmar Nietan zu „OKOer“: Verbraucherschutz auf Chinesisch
Herr Nietan, wie stehen Sie als Generaltreuhänder der ddvg zu einer solchen Unternehmung in China?
Die ddvg wird ja manchmal ausschließlich als „Finanzquelle“ der SPD betrachtet. Sie ist aber vor allem auch ein wichtiger Stabilitätsfaktor in der deutschen Presselandschaft und trägt dazu bei, den unabhängigen Qualitätsjournalismus zu stärken. Ich freue mich als Generaltreuhänder aber auch als politischer Mensch über die Entscheidung der ddvg, mit diesem Anspruch auch auf dem chinesischen Markt einzusteigen.
Stichwort „Stabilitätsfaktor“: Ist eine Investition in China nicht ein Risiko für das SPD-Vermögen?
Als Schatzmeister ist es mir wichtig, dass der Geschäftsbereich der SPD eine umsichtige Investitionspolitik verfolgt. Das Projekt wurde über fast zweieinhalb Jahre hinweg vorbereitet, eine renommierte internationale Anwaltskanzlei hat die ddvg in allen juristischen Fragen beraten. Das Risiko wurde so minimiert, die wirtschaftlichen Perspektiven von OKOer sind ausgesprochen gut. Mir ist aber auch klar: Ganz ohne Risiko ist erfolgreiches Wirtschaften nicht möglich. Die Medienbranche ist im Umbruch – nur wer neue Ideen entwickelt, wird Bestand haben. Zur Stabilität gehört also auch Mut.
Gibt es denn in China überhaupt einen Bedarf nach einem unabhängigen Verbrauchermagazin wie der OKOer?
Ja, absolut. Die Volksrepublik China hatte in den vergangenen Jahren immer wieder gravierende Probleme hinsichtlich der Qualität von Lebensmitteln. Ich erinnere beispielsweise an den Melamin-Skandal, bei dem 2008 verseuchtes Milchpulver für Säuglingsnahrung in großen Mengen in den Handel gelangte. Mehr als 300 000 Babys erkrankten an den Folgen und es gab mehrere Todesfälle. Solche Skandale haben das Vertrauen der chinesischen Bevölkerung stark erschüttert – der Bedarf an einer unabhängigen und verlässlichen Institution, die die Qualität von Konsumprodukten testet, ist sehr hoch.
Getestet werden sollen aber zunächst nur Produkte nicht-chinesischer Hersteller. Ist OKOer für chinesische Verbraucherinnen und Verbraucher trotzdem interessant?
Auf jeden Fall. Viele chinesische Verbraucherinnen und Verbraucher kaufen bevorzugt internationale Produkte. Um beim Melamin-Skandal zu bleiben: Obwohl er bereits etwa 7 Jahre zurückliegt, kommt es bis heute immer wieder zu Versorgungsengpässen mit Milchpulver für die Säuglingsnahrung, weil die Nachfrage aus China so groß ist. Natürlich haben die deutschen Hersteller inzwischen auf diese erhöhte Nachfrage reagiert und die Exporte nach China ausgebaut. Die ersten Tests haben jetzt aber ergeben, dass die Milchpulver, die aus Deutschland nach China exportiert wurden, deutlich höhere gesundheitsbelastende Werte aufwiesen als die Vergleichsprodukte in Deutschland. Allein dieser Test zeigt, wie wichtig solche Produkttests für die chinesische Bevölkerung sind.
Wie kann die Qualität und Unabhängigkeit der Produkttests in China denn überhaupt gewährleistet werden?
Das funktioniert so: Die ÖKO Test-Redaktion Deutschland kauft im chinesischen Handel unerkannt Produkte ein, expediert diese nach Deutschland und lässt sie durch die bewährte ÖKO Test-Routine testen und bewerten. Diese Testergebnisse werden ins Chinesische übersetzt und dann auf dem OKOer Portal veröffentlicht. Ohnehin gilt grundsätzlich: OKOer lebt von ihrer Unabhängigkeit. Ohne diese Unabhängigkeit würde OKOer jedes Vertrauen seitens der Bevölkerung verspielen. Jeder Versuch einer Einflussnahme wird daher von OKOer konsequent öffentlich gemacht.
Sie halten es also für unproblematisch, dass die ddvg in einem autoritär regierten Land Geld verdient?
Die ddvg unterstützt mit ihrem Engagement ja keine autoritären Strukturen in China. Das Gegenteil ist der Fall: Mit OKOer wird eine starke und unabhängig informierte Zivilgesellschaft gefördert. Das kann ich nicht nur als Treuhänder der ddvg, sondern auch als Sozialdemokrat nur begrüßen.
ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.