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Dietmar Nietan: Was der neue Polenbeauftragte erreichen will

SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan ist neuer Polenbeauftragter der Bundesregierung. Im Interview mit dem „vorwärts“ spricht Nietan darüber, was er in seinem neuen Amt erreichen will.
von Karin Nink · 11. März 2022
Dietmar Nietan, Schatzmeister der SPD und Bundestagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, ist neuer Polenbeauftragter der Bundesregierung.
Dietmar Nietan, Schatzmeister der SPD und Bundestagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen, ist neuer Polenbeauftragter der Bundesregierung.

Herzlichen Glückwunsch zum neuen Amt. Welche konkreten Aufgaben hat der „Koordinator für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit“, so der offizielle Titel, genau?

Die Beziehungen zwischen zwei befreundeten Nachbarländern laufen ja nicht ausschließlich auf Regierungsebene, sondern leben von dem zivilgesellschaftlichen Austausch, davon, dass die Bürgerinnen und Bürger beider Länder miteinander im Gespräch sind. Dazu zählen zum Beispiel auch die vielen Städtepartnerschaften und die Austauschprogramme für Jugendliche oder für Wissenschaftler. Diese Kontakte im Auftrag der Bundesregierung zu fördern und deren Anliegen in die Politik zu tragen, ist die Aufgabe des Koordinators. Er ist die Schnittstelle zwischen der sogenannten „großen Politik“ und den Aktivitäten der Bürgerinnen und Bürger.

Sie haben auch eine sehr persönliche Beziehung zu Polen?                

In der Tat, da gibt es eine sehr persönliche Geschichte: Meine Großeltern väterlicherseits mussten aus Ostpreußen, einem Gebiet im heutigen Polen, flüchten. Beide lebten noch, als ich 1998 erstmals in den Bundestag gewählt wurde. Damals hatte mein Großvater einen Wunsch, den ich mir zu Herzen genommen habe: Ich solle mein Bundestagsmandat auch für die deutsch-polnische Versöhnung nutzen. Denn er war zutiefst davon überzeugt, dass er und meine Oma ihre Heimat nicht wegen der Roten Armee oder wegen der Polen verloren hatten, sondern weil deutsche Faschisten das Nachbarland überfallen und dort bestialische Verbrechen verübt hatten. Genau deswegen ist die Versöhnung zwischen Polen und Deutschen so wichtig.

Was liegt Ihnen bei dem neuen Amt besonders am Herzen?

Der Austausch zwischen den Menschen macht die Beziehungen zwischen beiden Ländern ja erst wirklich lebendig. Als Vorsitzender der deutsch-polnischen Gesellschaft weiß ich, wie viele Menschen sich mit viel Herzblut für die deutsch-polnische Nachbarschaft engagieren, und sie haben schon eine Menge auf die Beine gestellt. Deswegen ist die kurze Antwort auf die Frage: die Zivilgesellschaft. Ich will den Austausch zwischen den Menschen weiter stärken und so zur Vertiefung der Freundschaft zwischen den Bürgerinnen und Bürgern beider Länder beitragen.

Die nationalkonservative Regierung in Polen stellt die Europäische Union vor besondere Herausforderungen. Welchen Beitrag können Sie als deutsch-polnischer Koordinator zur Entschärfung der Situation leisten?

Das Wichtigste ist es, auf allen Ebenen im Gespräch zu bleiben. Ich setzte mich schon jetzt in vielen persönlichen Gesprächen mit polnischen Regierungsvertretern und mit Abgeordneten des Sejms für eine starke EU auf Basis unserer freiheitlichen Werte ein. Das werde ich mit der neuen Aufgabe noch intensiver tun. Denn die Herausforderungen durch eine autoritäre Wirtschaftsmacht wie China oder die des Klimawandels und nicht zuletzt die Bedrohung durch den Aggressor im Kreml kann kein Land allein stemmen. Wir alle brauchen eine starke und geeinte EU. Denn nur sie ist die Rückversicherung für unsere liberale und freiheitliche europäische Gesellschaft. Nationalisten sind das ganz eindeutig nicht.

Erfahren die deutsch-polnischen Beziehungen durch den Angriff Putins auf die Ukraine noch eine besondere Bedeutung?

Auf jeden Fall! Nur wenn Deutschland und Polen als Nachbarn miteinander kooperieren, können wir die EU auch in dieser Situation weiter stärken. Da ist die polnisch-deutsch-französische Achse von entscheidender Bedeutung.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich mit einer mutigen und auch dramatischen Kurskorrektur in der Außen- und Sicherheitspolitik der neuen Realität in Europa gestellt und dafür auch in Polen viel Lob bekommen. Ich wünsche mir und erwarte es auch, dass die nationalkonservative polnische PiS-Regierung in dieser Situation möglichst schnell ihre Politik ändert, indem sie Deutschland und die EU nicht länger als ihre Gegner betrachtet, sondern die Zusammenarbeit sucht. Nur so schaffen wir eine starke EU. Und – dessen müssen sich auch unsere polnischen Nachbarn bewusst sein – eine schwache EU schwächt auch Polen. Dies hat Putins Angriffskrieg auf brutalste Weise deutlich gemacht.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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