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Die Zeit für eine Einigung mit Griechenland wird eng

Etwas war anders auf diesem EU-Gipfel. Nicht die Pressekonferenz der Vermittler von Minsk, Angela Merkel und Francois Hollande, stand um kurz vor Mitternacht im Mittelpunkt. Europa wartete auf den neuen griechischen Regierungschef Alexis Tsipras.
von Peter Riesbeck · 13. Februar 2015

Und auf ein Signal im Streit in der jüngsten Debatte um weitere Hilfen für Griechenland. „Es geht hier nicht um Erpressung, sondern um Überzeugung“, sagte Tsipras. Er sprach mit ruhiger Stimme. Hier redete nicht der Radikalo.

Das war am Vortag noch anders. Da hatte Tsipras’ Finanzminister Yanis Varoufakis die Kollegen aus den Eurostaaten heftig verprellt. Lange hatten die Minister verhandelt und sich darauf verständigt, wie man sich zumindest auf technische Details über neue Hilfen für Griechenland unterhalten kann. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble war gar schon abgereist, als Varoufakis seine Zustimmung überraschend zurück. Die Hauptstadt hatte ein Veto eingelegt. Ein wenig griechisch-unorthodox die ganze Verhandlungsführung.

Die Troika ist Geschichte

Europa reagierte nervös. Und zweifelte kurz an der Professionalität der neuen griechischen Führung. Es gibt eben einen großen Unterschied zwischen Radikalopposition und Regierungsverantwortung. Das mussten auch schon andere erfahren. Die Zeit wird knapp. Am 28. Februar läuft das Unterstützungsprogramm für Griechenland aus. Das Land kann sich aber nicht selbst finanzieren. Auf 10 bis 38 Milliarden Euro wird der Finanzbedarf geschätzt.

Doch geht es nicht allein ums Geld. Tsipras hat im Wahlkampf einen neuen Kurs in der Eurorettung versprochen. Den will er nun einlösen. Ein bisschen rüpelnd. Ein bisschen durch eine neue Sprachregelung. Und so lernt Europa jetzt erstmal Neugriechisch. So wie aus dem Popstar Prince einst Tafkap wurde - The Artist formerly known as Prince – werden nun einzelne Elemente des Hilfsprogramms umbenannt. Die wegen ihrer Sparvorgaben nicht nur in Griechenland gefürchtete Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Wänhrungsfonds IWF jedenfalls ist erst mal Geschichte. Von den „drei Institutionen“ spricht Tsipras. Und von den „drei Institutionen“ spricht Schäuble.

Droht der „Grexit“?

Europa versucht neu Wege aus der Krise. Dabei geht es nicht nur um eine neue Sprachregelung. Ganz leise und still haben der neue Kommissionschef Jean-Claude Juncker und der Präsident des Europäischen Parlaments, der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz, den Kurs in der Eurorettung verändert. Europa handelt politisch und nicht mehr streng nach Ökonomie-Katechismus. Mit Etatsündern wie Frankreich und Italien zeigt sich die EU nun milder. Auch ein – wenn auch kleines Investitionspaket – ist angeschoben. Nun wird Griechenland zum nächsten Testfall. Niemand wünscht einen Austritt des Landes aus der Eurozone. Viele fürchten, er könnte dennoch geschehen – mehr aus Versehen. Durch unbedachtes Handeln. Die Folgen wären dramatisch. Nicht nur für die Eurozone. Auch für Griechenland – es drohte eine humanitäre Krise.

Auch Tsipras hat das eingesehen. Von einem „konstruktiven Weg“ sprach nun zu nächtlicher Stunde in Griechenland. Mit dem Chef der Eurogruppe, dem niederländischen Sozialdemokraten Jeroen Dijsselbloem, schloss er einen späten Deal. Es ging um Worte (die neuen Finanzhilfen heißen jetzt leicht verbrämt Überbrückungsabkommen), und um Symbole. Griechenlands Regierung kriegt weniger Vorgaben aus Brüssel, das Land kann jetzt frei wählen, ob es von reichen Reedern Steuern eintreibt oder den Mindestlohn kürzt.

Europa hat verstanden, dass der Weg aus der Krise nicht nur durch Sparen erreicht. Von Gerechtigkeit sprach Tispras in seiner mitternächtlichen Pressekonferenz. Ein Deal scheint sich abzuzeichnen. Das Hilfsprogramm – pardon die Überbrückungshilfe – wird auf sechs Monate gestreckt. Das Wort Schuldenschnitt ist kurzfristig erstmal vom Tisch. Tsipras vermied alles, um über eine „Verlängerung“ des Hilfsprogramms zu reden. Er muss alles vermeiden, was – auch rhetorisch – nach einem Weiter so aussieht. Eine Arbeitsgruppe soll nun ermitteln, wie viel Geld Griechenland benötigt.

Tsipras rüstet ab

Schon am Montag tagen erneut die Finanzminister der Eurogruppe. Europa müht sich um ein Abkommen. Und auch Tsipras rüstet rhetorisch ab – mit stiller Polit-Nachhilfe von Juncker und Schulz. „Bei einem guten Kompromiss“, sagte er, „überwiegen die Vorteile die Nachteile.“ Das hatte er nach einem Treffen mit Martin Schulz in der Vorwoche schon ähnlich gesagt. Tsipras lernt schnell. Mit Populismus gewinnt man vielleicht Wahlen, aber nicht Debatten am Verhandlungstisch in Brüssel. Das ist eine der ersten praktischen Lehren aus dem politischen Alltag in Europa.

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Peter Riesbeck

ist Europa-Korrespondent. Bereits seit 2012 berichtet er aus Brüssel für die „Berliner Zeitung“ und die „Frankfurter Rundschau“.

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