„Die Regierung tötet Menschen, aber man darf nicht darüber berichten“
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„Die Regierung tötet Menschen, aber man darf nicht darüber berichten.“ Dieser Satz stammt von der Journalistin Ines Lydie Gakiza und beschreibt die aktuelle Lage in ihrer Heimat Burundi. Bis 2015 arbeitete die junge Frau für den Sender „Radio Publique Africaine“ – dann musste sie das Land verlassen, weil kritischen Medienvertretern in Burundi der Tod droht.
Am Donnerstag stand Gakiza auf einem Podium im Sitzungssaal der SPD-Bundestagsfraktion und forderte von der deutschen Politik, mehr Druck zu machen auf die Regierung in Burundi – damit die Massaker an der Zivilbevölkerung endlich ein Ende finden. Ihr Heimatland ist eines von unzähligen Beispielen für den „Verfall demokratischer Werte weltweit“, wie es Fraktionschef Thomas Oppermann ausdrückte. Seine Fraktion hatte am Donnerstag verschiedene zivilgesellschaftliche Vertreter zu Gesprächen in den Bundestag eingeladen. Das Thema: „Zivilgesellschaft weltweit in Gefahr“.
Gibt es eine „autokratische Internationale“?
Erst Putin, dann Erdoğan und jetzt Trump – in immer mehr Ländern kommen Männer an die Macht, die für einen autokratischen Führungsstil stehen. Dass das nichts Gutes für die Menschenrechte bedeutet, ist kein Geheimnis. Zwar sei eine „autokratische Internationale“ noch nicht Realität, erklärte der Forscher Günter Schucher vom Hamburger GIGA-Institut. Allerdings tauschten sich die Vertreter totalitärer Regime auf internationaler Ebene über ihre Erfahrungen aus – zum Beispiel darüber, wie sich der Zugang zum Internet am besten einschränken lässt.
„Die Medienfreiheit ist weltweit auf dem Rückzug“, sagte dazu Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (ROG). Durch die Krise in vielen Verlagshäusern stünden Journalisten vor allem finanziell immer mehr unter Druck. Darüber hinaus gebe es für Pressevertreter „schwindende Spielräume durch physische Gewalt“. Das gelte nicht nur für Diktaturen – auch in Deutschland fühlten sich Journalisten bedroht, zum Beispiel von den Angriffen auf die Presse bei Pegida-Aufmärschen in Dresden.
BND-Gesetz: „dezidiert menschenrechtswidrig“
Scharfe Kritik übte der ROG-Geschäftsführer an dem im Oktober von der großen Koalition verabschiedeten BND-Gesetz. Dieses erlaube die Überwachung ausländischer Journalisten durch den Bundesnachrichtendienst, so Mihr. Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen hielten das neue Gesetz für „dezidiert menschenrechtswidrig“. Statt einer „Einschränkung der Privatsphäre“ forderte Mihr von der deutschen Politik die staatliche Förderung digitaler Verschlüsselungstechnologien. Zugleich betonte er die wichtige Rolle, die Deutschland auf internationaler Ebene in Sachen Pressefreiheit spiele. Dass es im Strafgesetzbuch bis heute einen Blasphemie-Paragrafen gibt, werde von islamistischen Regimen immer wieder als Rechtfertigung ausgenutzt, um im eigenen Land mit drakonischen Strafen gegen angebliche Gotteslästerer vorzugehen. Umso wichtiger sei es, beim Thema Menschenrechte auch den Blick ins Inland nicht zu vergessen.
Dieser Forderung konnte Bärbel Kofler, Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, voll zustimmen. Bei den Grundrechten müsse sich die Politik fragen: „Was ist bei uns schwierig? Was ist in Europa schwierig?“ Eine wichtige Frage sei etwa, wie es bei deutschen Unternehmen um die Einhaltung der Menschenrechte steht, wenn sie Geschäfte im Ausland betreiben. Die SPD-Politikerin forderte, das Thema Menschenrechte zukünftig „mehr in den Mittelpunkt zu stellen“. Vor allem weil die Verletzung der Grundrechte „Frühindikatoren“ für bewaffnete Konflikte seien könnten. „Wir schauen oft viel zu spät hin“, kritisierte Kofler die Gleichgültigkeit vieler, wenn in anderen Ländern Grundrechte eingeschränkt werden.
Droht ein Völkermord in Burundi?
Das gilt wohl auch für die derzeitige Gewalt in Burundi. Frank Schwabe, menschenrechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, warnte vor einer „völkermordartigen Situation“ in dem Land. Die deutsche Politik müsse zügig etwas unternehmen, forderte Ines Gakiza aus Burundi. Denn die staatliche Gewalt in ihrer Heimat habe bereits eins zur Folge, sagte die Journalistin: „Es gibt keine Verteidiger der Menschenrechte mehr.“
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.