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Deutsche Welle: Stimme der Meinungsfreiheit in der Welt

Die jährliche Konferenz Global Media Forum bringt unter dem Motto „Global Inequalities – Globale Ungerechtigkeiten“ Staatsgäste und Journalisten nach Bonn. Sie würdigen den 65. Geburtstag der Deutschen Welle – und den Mut der Reporter.
von Johanna Schmeller · 12. Juni 2018

„Made for minds“, gemacht für den Intellekt, ist der Werbespruch des öffentlich-rechtlichen Auslandssenders Deutschen Welle. „Made by minds“ wäre allerdings mindestens ebenso treffend: Kaum ein Sender steht mehr für Meinungspluralismus als das deutsche Auslandsfernsehen.

„Von Menschen erzählen, über die niemand erzählt“

Über 60 verschiedene Nationalitäten arbeiten bei der DW in 30 Sprachen. Arbeiten, das heißt: Schreiben, senden, twittern, funken und Medientrainings für Journalisten in aller Welt ausrichten, besonders dort, wo die freie Berichterstattung eingeschränkt ist.

„Wir haben den einzigartigen Auftrag, nicht nur auf Deutschland zu blicken, sondern eine internationale Perspektive einzunehmen“, sagt DW-Mitarbeiter Jan-Philipp Scholz auf dem Global Media Forum 2018, das derzeit unter dem Motto „Global Inequalities – Globale Ungerechtigkeiten“ in Bonn stattfindet. Seit vielen Jahren berichtet er für die Deutsche Welle aus Afrikas Krisengebieten.

Sein nächstes Projekt wird ihn nach Libyen führen, im Auftrag der DW Akademie, finanziert von der Europäischen Union. Schulungen von Journalisten vor Ort sollen mittelfristig zum Aufbau einer freien Presse beitragen – die wiederum helfen soll, ein demokratisches System zu etablieren.

„Das macht für mich die DW aus: Dass wir mit hoher Unabhängigkeit aus Regionen berichten, in die sonst kaum Journalisten gehen – über Menschen, deren Geschichte sonst niemand erzählt.“ Gerade der afrikanische Kontinent sei für viele noch eine „Black box“.

Mit Medien gegen Ungleichheit

Die Analysen der Deutschen Welle stellen „gezielter Desinformation ein Gegen-Narrativ entgegen“, wie Michelle Müntefering in ihrer Keynote beim Global Media Forum im einstigen Plenarsaal des Bundestages betont.

„In einer Zeit, wenn Ungleichheiten wachsen, sind Medien besonders wichtig.“ Erst die Pluralität von Medien sichere den Zugang zu qualitativer Information.

Libyen ist hier nur ein Beispiel. Die Stabilisierung der Staaten rund um das Mittelmeer, beginnend bei der Schaffung unabhängiger Medienstrukturen, ist strategischer Pfeiler der Bundesregierung zur Bekämpfung der Flüchtlingskrise.

Geschichten, die Geschichte schreiben

Um solche politischen Ziele zu erreichen, braucht es auch Journalisten, die den Blick der Weltöffentlichkeit auf Brennpunkte lenken.

Was Jan-Philipp Scholz aus seinem Joballtag als Krisenreporter berichtet, geht jedoch an die Grenzen des Erträglichen: „Ich habe Interviews mit Opfern von Menschenhändlern geführt, die zur Zwangsprostitution gezwungen wurden. Was ihnen angetan wird, ist unvorstellbar grausam.“

Beispiele hat er genug. „Das sind Momente, in denen man an der Menschheit zu zweifeln beginnt“, stellt er sachlich fest. In Krisengebieten erlebe man aber auch, dass Menschen „eine Größe zeigen können, die man so nicht erwartet hätte. Das ist das Spannende: In Extremsituationen sieht man, was Menschen anderen antun können. Aber man sieht auch, wie sehr sich Menschen für andere aufopfern können“.

Scholz hat Leichengräber begleitet, die während der Ebola-Epidemie in Sierra Leone die schwer infektiösen Toten aus den Dörfern geschafft haben. „Ebola kann man nicht riechen oder schmecken. Oft werden diese Helden angegriffen, wenn Angehörige nicht verstehen, was mit ihren Toten passiert.“

Außer der Deutschen Welle habe kein Medium diese Geschichte erzählt.

Reportage aus der Todeskammer

Verlangen diese Jobs den Reportern Mut ab? Mindestens ein journalistisches Ethos, um mit Feingefühl und kritischer Distanz über Grenzerfahrungen zu berichten.

„Ich habe in Texas eine Todeskammer besucht“, erzählt Sertan Sanderson, Redakteur der englischen Nachrichtenredaktion. „Ich stand in einem Raum, in dem jährlich Dutzende Gefängnisinsassen tödliche Injektionen bekommen haben.“ Der Raum sei so steril gewesen, wie man sich manches Krankenzimmer wünscht.

Dann aber habe er den dahinterliegenden Raum betreten, in dem sich die nächsten Familienmitglieder während der Hinrichtung aufhalten konnten. Die Glasscheibe dazwischen sei auf dieser Seite völlig verschmiert gewesen. „Ich werde nie vergessen, wie viel Schmerz und Angst die verwischten Spuren dieser Fingerabdrücke zum Ausdruck gebracht haben“, sagt Sanderson. „Die Tastsache, dass die Scheibe zwischen den Hinrichtungen auf dieser Seite nicht gereinigt worden war, sprach genauso Bände.“

Demokratisierung von Wissen

Wer mit den Reportern zusammensitzt, der spürt: Um schnelle Aufmerksamkeit geht es Journalisten der Deutschen Welle nicht – sondern um Aufklärung, um Information.

„Eine Demokratisierung des Wissens ist heute wichtiger denn je“, so Staatsministerin Michelle Müntefering auf dem Global Media Forum. „Die Unabhängigkeit von Nachrichten, Wissen und Medien müssen heute mehr denn je geschützt werden.“

Brexit, Trump, Ukraine

Soziale Medien seien mittlerweile die größten Umschlagplätze für Kommunikation: „Neue Akteure, etwa Populisten und Meinungsroboter, erschweren mit gezielter Desinformation und Manipulation den etablierten Qualitätsjournalismus." Müntefering nennt den Brexit, die Ukrainekrise und den US-Wahlkampf als Beispiele, wo Social Bots die öffentliche Meinung manipuliert hätten. Aber auch Fakten würden negiert oder durch gezielte Desinformation entwertet – wie beim Klimawandel. „Mit enormen Ressourcen werden erstaunlich professionelle eigene Kommunikationskanäle aufgebaut.“ Den Qualitätsmedien stünden oft deutlich weniger finanzielle Mittel zur Verfügung.

Freiheit und Gleichheit

Journalisten der Deutschen Welle haben dies täglich vor Augen. Viele empfinden ihre Freiheit als ein Privileg.

„Wir haben keine Angst, jene herauszufordern, die unabhängigen Journalismus gern zum Schweigen bringen würden“, fasst Sertan Sanderson zusammen. „Wir haben keine Angst vor Autokraten und Diktatoren. Wir haben keine Angst davor, in unseren Berichten für Werte wie Freiheit und Gleichheit einzutreten. Und wir haben keine Angst, unseren Job zu machen – was viele Journalisten auf der Welt nicht sagen können.“ Viele Redakteure hätten mit Kollegen zu tun, die in ihren Ländern von Repressalien bedroht seien.

Die lokalen Korrespondenten „stecken oft in viel schwierigeren Situationen und haben nicht die Möglichkeit, nur für eine gewisse Zeit im Land zu sein. Und die machen auch weiter“, sagt Jan-Philipp Scholz. Als das Angebot der DW Akademie kam, in Libyen zu arbeiten, sagte er deshalb zu. „Klingt kitschig, aber Journalismus ist eben mehr als ein Beruf. Es ist etwas, für das man lebt.“

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