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Noch im Pyjama gekleidet überraschten zwischen zwei und dreihundert Soldaten den honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya im Präsidentenpalast in der Hauptstadt Tegucigalpa. Sie boten ihm die Wahl zwischen Tod oder Exil. Entweder der Präsident verlasse sofort das Land in einem bereitgestellten Flugzeug oder sie würden ihn erschießen. Eine andere Wahl gäbe es nicht, er sei abgesetzt.

Zelaya entschied sich für die Flucht. Seine Pläne für den Sonntag waren nicht aufgegangen. Denn eigentlich wollte er sich später an der von ihm selbst einberufenen Volksabstimmung beteiligen. Obwohl es ihm als Präsident nicht zusteht, hatte er das Volk aufgefordert, für die Einberufung einer neuen verfassungsgebenden Versammlung zu stimmen. Experten vermuten dahinter die Pläne, die strengen honduranischen Gesetze für eine zweite Amtszeit umzuschreiben.

Doch noch bevor irgendein Honduraner seine Stimme abgeben konnte, war der Präsident schon des Landes verwiesen, Fernsehen und Hörfunk kurzfristig abgeschaltet, die Volksabstimmung abgesagt.

"Honduras ist jetzt eine bessere Demokratie als noch vor wenigen Tagen," verkündete der neue Präsident Roberto Micheletti, die Absetzung seines Vorgängers verteidigend. Und der neue Außenminister Enrique Ortez fügte hinzu: "Sollte Zelaya noch einmal zurückkehren, werden wir ihn sofort festnehmen lassen. In unserem Land werden ihm Verfassungsbruch sowie Verbindungen zum Drogenhandel und zum organisierten Verbrechen vorgeworfen."

Der gestürzte Präsident Zelaya war 2006 mit einer knappen Mehrheit für die Liberale Partei zum Präsidenten gewählt worden, seine erste Amtszeit sollte 2010 auslaufen, eine Wiederwahl sieht die aktuelle honduranische Verfassung nicht vor. Für den vergangenen Sonntag hatte Zelaya daher eine Volksabstimmung einberufen, obwohl dies dem Kongress vorbehalten ist. Experten vermuten, dass er bis November eine neue Verfassung in Auftrag geben wollte, die ihm eine Wiederwahl ermöglichen sollte.

Doch dazu kam es nicht. Denn bereits die letzten Vorbereitungen der Volksabstimmung wurden vom Militär durchkreuzt. Vor wenigen Tagen noch musste Zelaya den Chef der Armee entlassen, weil sich dieser weigerte, die Abstimmung logistisch zu unterstützen. Die Abgeordneten des Kongresses, der Oberste Gerichtshof und das Militär entschlossen sich schließlich zum Putsch. "Zelaya schien selber nicht mehr innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung zu agieren," konstatierte Lateinamerikaexpertin Heather Berkman, "damit machte er sich viele Feinde in Wirtschaft und Politik."

Parlament wählt neuen Präsidenten

Die Möglichkeit eines Amtsenthebungsverfahrens gibt es in der honduranischen Verfassung nicht. Und während die internationale Gemeinschaft - darunter die Regierungen der Vereinigten Staaten, der Europäischen Union aber auch der umliegenden Länder - mit heftiger Kritik reagierten, wählten die Parlamentarier in Honduras mit großer Mehrheit und entsprechend der Verfassung den Vorsitzenden des Kongresses Roberto Micheletti zum neuen Präsidenten.

Auf den Straßen der Hauptstadt Tegucigalpa kam es jedoch zu Demonstrationen und vereinzelten Straßenschlachten zwischen Anhängern Zelayas und Polizeikräften. Die Tatsache eines Putsches trieb Tausende auf die Straßen. Weite Teile der traditionell den Vereinigten Staaten von Amerika nahe stehenden Bevölkerung bezeichneten die Absetzung als kriminell und folgten dem amerikanischen Präsidenten in seiner Auffassung, dass wenn Zelaya nicht zurückkehren würde, ein "schrecklicher Präzedenzfall geschaffen würde." Honduras galt seit Ende der 80er Jahre als vergleichsweise stabil, zuletzt hatte sich 1993 im benachbarten Guatemala ein Putsch ereignet. Seitdem hatte sich die Demokratie in der Region jedoch konsolidiert.

Die Organisation Amerikanischer Staaten verurteilte das Vorgehen des honduranischen Militärs und setze dem neuen Präsidenten ein Ultimatum bis zum Wochenende, den Platz für eine Rückkehr Zelayas freizumachen. "Wir müssen zeigen, dass militärische Coups inakzeptabel sind," so OAS-Sprecher José Miguel Insulza, "ansonsten wird Honduras aus der Organisation ausgeschlossen."

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen bat Zelaya zu einer Stellungnahme, in der er betonte, kein weiteres Mal für das höchste Amt kandidieren und auch die Verfassung unverändert lassen zu wollen. "Ich werde keine verfassungsgebende Versammlung einberufen," so Zelaya überraschend, "und wenn mir angeboten würde, noch länger im Amt zu bleiben, würde ich das ablehnen." Die UNO verabschiedete darauf hin eine mahnende Resolution.

Stabile Verhältnisse angestrebt

Zelaya hatte sich seit seiner Wahl vor fast vier Jahren stark gewandelt. Einerseits tat er sich mit sehr populistischen Maßnahmen hervor, als er Staatsangestellten und Lehrern hohe Lohnzuschläge versprach, die er schließlich nur noch mit finanzieller Hilfe des viel kritisierten, sozialistischen Staatschefs von Venezuela, Hugo Chávez, zahlen konnte.

Andererseits suchte er zunehmend die staatlichen Medien zu kontrollieren und begab sich mit der Einberufung einer Volksabstimmung tatsächlich auf extra-konstitutionelle Wege. Zuletzt konnte Zelaya nur noch auf etwa 30 Prozent Zustimmung unter der Bevölkerung zählen, die Mehrheit der Politiker, selbst in der eigenen Partei, beklatschte seinen Abgang.

Und dennoch kann ein Putsch in keinem Land Lateinamerikas mehr akzeptiert werden. Zu lange war die Region von undemokratischen Machtwechseln destabilisiert worden. Die Präsidenten Argentiniens und Ecuadors versprachen Zelaya bei seiner Rückkehr zu begleiten. Am Wochenende läuft das Ultimatum der Organisation Amerikanischer Staaten aus, die wichtigsten Geber des zu den ärmsten Staaten Lateinamerikas zählenden Landes haben ihre Hilfe eingefroren und ihre Botschafter abgezogen.

Der neue Präsident Micheletti wäre gut beraten, entweder ganz schnelle Neuwahlen einzuberufen oder aber Zelaya zurückkehren zu lassen und dann im November den Wähler entscheiden zu lassen. Auf den Straßen bleibt die Lage angespannt.

Autor*in
Jérôme Cholet

arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.

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