Im Osten der Demokratischen Republik Kongo sind erneut schwere Kämpfe ausgebrochen. Rebellen um General Nkunda wenden sich gegen Präsident Kabila, weil sie die Tutsi-Minderheit nicht ausreichend geschützt sehen. Mehr als eine Million Menschen haben ihre Heimatdörfer verlassen. Eine humanitäre Katastrophe spielt sich ab, denn Hilfsorganisationen geraten zwischen die Fronten. Die zur Überwachung der Friedensverträge entsandten UN-Blauhelmtruppen müssen hilflos zusehen. Die internationale Gemeinschaft, allen voran die Europäische Union und Deutschland, verweigert sich einer humanitären Eingreiftruppe zum Schutz der Zivilbevölkerung.
Hilflose UN-Truppen
Die Menschen fliehen vor der Armee Präsident Joseph Kabilas und vor den Soldaten der Rebellengruppen von General Laurent Nkunda, der sich mit anderen Milizen verbündet hat. Von allen befürchten sie, ausgeraubt, vergewaltigt oder ermordet zu werden. "Für uns sind sie von der Landkarte verschwunden," so der Sprecher des Flüchtlingsprogramms der Vereinten Nationen, Karl Steinacker, "die meisten sind außerhalb der Reichweite von Hilfsorganisationen, wahrscheinlich in die Wälder geflohen. Und nun auf sich selbst angewiesen." Denn auch ihr Vertrauen in die Friedenstruppen der Vereinten Nationen haben die Menschen verloren. Die größte UN-Blauhelmtruppe der Welt ist zu schwach, um ihnen Schutz auf der Flucht oder in den Flüchtlingslagern zu gewähren oder zumindest die Hilfslieferungen aus aller Welt abzusichern.
Aufstand gegen Zentralregierung eskaliert
Denn vor der eigentlich bezaubernden Kulisse in den Himmel ragender Vulkane, grüner Regenwälder und unendlicher roter Sandstrassen herrscht wieder Krieg. "Der Ort sieht aus wie das Paradies," so die Journalistin Kate Thomas, "und fühlt sich an wie die Hölle." General Nkunda hat zum Sturm auf die wichtigsten Städte Nord-Kivus gerufen und steht mit seinen Rebellen vor den Toren der Provinzhauptstadt Goma, die von der Regierung bereits aufgegeben wurde. Seine Bewegung "Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes" (CNDP) kontrolliert die wichtigsten Verbindungswege in der Region. Sein angebliches Motiv ist der Schutz der Tutsi-Minderheiten vor Übergriffen der aus Ruanda geflohenen Hutu-Milizen. Sein Gegner ist der kongolesische Präsident Kabila in der Hauptstadt Kinshasa. Seit vier Jahren nun läuft der Aufstand Nkundas, jetzt ist er eskaliert.
Opfer Zivilbevölkerung
Mehr als 6.500 Mann hat der General unter Waffen und kontrolliert bereits den Osten der Republik. "Der Friedensvertrag liegt in Schutt und Asche," so Alan Doss, der Sondergesandte der
Vereinten Nationen im Kongo. Ergebnis sind Chaos und Unsicherheit sowie eine humanitäre Katastrophe. Präsident Kabila schiebt die Schuld für die dramatische Verschlechterung der Sicherheitslage
in Nord-Kivu auf den Nachbarn Ruanda. Angeblich wolle der ruandische Präsident Kagame die lukrativen Bodenschätze der Region ausbeuten. General Nkunda sei nur eine Marionette der Regierung in
Kigali, so die Regierung.
Zu den Opfern zählt vor allem die Zivilbevölkerung. Etwa vier Million Menschen sind im Großen Kongokrieg zwischen 1996 und 2003 ermordet worden oder an den Folgen wie Hunger und Seuchen
gestorben. Am wenigsten sind sie dabei auf der Flucht sicher, wo sie zwischen die Fronten geraten. Doch auch diesmal haben tausende Menschen ihre Dörfer und die Auffanglager der internationalen
Hilfswerke wieder verlassen, weil sie nur unzureichend mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten versorgt werden konnten. Zu Hause, hoffen sie, können sie sich wenigstens selbst versorgen.
Doch General Nkunda hat die wichtigsten Zufahrtsstrassen blockiert, UN-Konvois werden geplündert, Krankenhäuser ausgeraubt.
Verhandlungen ohne Rebellen
Zwar trafen sich am Freitag die Präsidenten des Kongos und seiner Nachbarländer und einigten sich auf einen dringenden Appell zur Schaffung eines Hilfskorridors und eines Einstellens der Kampfhandlungen. Neben den Präsidenten Kongos, Ruandas und Kenias waren allerdings keine Rebellengruppen erlaubt. General Nkunda blieb in Ost-Kivu, Präsident Kabila verweigerte den Dialog. "Oberste Priorität hat für uns jetzt erst einmal die Normalisierung der Beziehungen zu Ruanda", so Kommunikationsminister Lambert Mende, "mit General Nkunda allein werden wir nicht verhandeln." UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon, EU-Entwicklungshilfekommissar Michel und zahlreiche afrikanische Staatsoberhäupter mussten ergebnislos wieder abreisen.
Lukrative Rohstoffe als Konfliktherd
Seit Jahrzehnten kommt die Demokratische Republik Kongo (DRC) nicht zur Ruhe. Bereits zwischen 1996 und 2003 war sie Schauplatz eines blutigen Bürgerkrieges. Denn das Land ist reich an wertvollen Rohstoffen, darunter Zink, Koltan, Kupfer und Uran und erstreckt sich über eine Fläche so groß wie Europa. Seit Ende der belgischen Kolonialherrschaft ist es keiner Zentralregierung in der Hauptstadt Kinshasa mehr gelungen, ihre Macht auf dem gesamten Territorium durchzusetzen. Statt dessen mischten sich Regierungen und Rebellengruppen der Nachbarstaaten in die inneren Angelegenheiten des Landes ein, um ihren eigenen Interessen, vor allem aber den lukrativen Rohstoffen nachzugehen, darunter Ruanda, Burundi, Uganda, Tansania, Angola, Namibia und selbst das entfernte Simbabwe. Entlang ethnischer Zugehörigkeit mobilisierten sie kongolesische Bevölkerungsteile gegen die Zentralregierung in der Hauptstadt, entfachten Unsicherheit und nutzten die Bürgerkriege für ihre Zwecke. Dabei kam ihnen die Vernachlässigung der Zentralregierung zugute. So auch diesmal.
Feinde ohne Perspektive / Sicherheitskräfte ohne Kompetenz
Denn trotz eines Friedensvertrages mit allen Rebellengruppen und eines Waffenstillstandsabkommen in Nord-Kivu hat es die Regierung in Kinshasa versäumt, die Region zu stabilisieren und den einstigen Feinden eine Perspektive zu geben. Seit dem Völkermord 1994 im benachbarten Ruanda waren zahlreiche Hutu-Milizen in den benachbarten Kongo geflohen, um sich vor der Verfolgung durch die neue Regierung unter Präsident Paul Kagame, einem Tutsi, zu retten. Die Regierungsarmee hat ihre Bemühungen um eine Entwaffnung der ihr eingegliederten ruandischen Hutus oder deren Repatriierung immer wieder aufgeschoben. Noch immer befinden sich in ihren Reihen zahlreiche Mitglieder der Interahamwe-Milizen, die für den Völkermord an Tutsi und moderaten Hutu verantwortlich waren. Letztendlich ist die kongolesische Regierung hauptverantwortlich für die Sicherheit in der Region. Seit Jahren flossen ausländische, vor allem europäische Mittel in den Aufbau ihrer Sicherheitskräfte, darunter Polizei und Armee. Doch mangelt es an Professionalismus und Finanzkontrollen. Korruption wuchert an allen Ecken.
Europäische Union verweigert Hilfstruppen
Die Europäische Union zeigte sich nicht bereit, neue Truppen für eine Militärintervention zum Schutz der Zivilbevölkerung zur Verfügung zu stellen. Trotz französischer Ambitionen, fand sich
innerhalb der 27 Mitgliedsstaaten keine Mehrheit. Insbesondere Kanzlerin Angela Merkel lehnte den Vorschlag ab. Dabei verdichten sich die Gerüchte, dass es im Zuge der bewaffneten
Auseinandersetzungen auch immer häufiger zu regelrechten Massakern an der Zivilbevölkerung kommt. "Mir sind Berichte zugespielt worden, dass es in der Nähe Gomas zu gezielten Massenmorden an
Zivilisten gekommen ist," so der UN-Sondergesandte Doss, "dies stellt eindeutig ein Kriegsverbrechen dar und wird nicht ohne Folge bleiben." Die amerikanische Menschenrechtsorganisation Human
Rights Watch befürchtet gar einen Genozid. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag ist alarmiert.
Die internationale Gemeinschaft muss weitere Verbrechen verhindern und die Zivilbevölkerung des Kongo schützen. Dazu kann sie vor allem den Druck auf die Präsidenten von Kongo und Ruanda
erhöhen und auf einen Dialog mit General Nkunda drängen. "Die Lage im Osten Kongos ist nicht militärisch zu lösen," so der südafrikanische Präsident Kagalema Motlanthe. Eine Ausdehnung des
Kivu-Konfliktes auf die gesamte Region sowie die weitere Einmischung der Nachbarstaaten wären allerdings fatal.
UNO-Flüchtlingshilfe fordert ein Ende der Kämpfe und ruft zu Spenden auf
Trotz unsicherer Lage muss den Menschen geholfen werden . Deshalb ruft die UNO-Flüchtlingshilfe zu Spenden für Kongo auf. In einer Pressemitteilung heißt es hierzu: " Während die Sorge um die vertriebenen Zivilisten weiter wächst, unterstützt das Un-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) den dringenden Appell von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon nach einem sofortigen Stop der Kampfhandlungen im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRC)."
Spenden für die Flüchtlinge im Kongo können Sie per Online-Spende / Weitere Informationen unter http://www.uno-fluechtlingshilfe.de
arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.