Die Verhaftung des kongolesischen Rebellenführers Laurent Nkunda war eine große Überraschung. Noch vor wenigen Monaten hatte der Chef der Rebellenorganisation Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes (CNDP) mit dem Sturm auf die ostkongolesische Stadt Goma Aufsehen erregt.
Das Ziel der Tutsi-Rebellen lautete, die Region von Hutus zu befreien, die aus Ruanda geflüchtet waren und den Kongo destabilisierten. Dabei rechtfertigte General Nkunda sein Vorhaben damit,
dass die Regierung in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa zu lange bräuchte, die Täter des Völkermordes von 1996 zu demobilisieren. Unterstützt wurde er dabei von der neuen Regierung Ruandas
unter Präsident Paul Kagame.
Die Provinzhauptstadt Goma versank unterdessen im Elend. Wieder waren Hunderttausende zu Flüchtlingen geworden, die ziel- und hilflos durch die unwägbare Region irrten. Die internationalen
Hilfswerke mussten ihre Arbeit einstellen, die 17.000 Blauhelmsoldaten der Vereinten Nationen, darunter 2.000 Truppen von der Europäischen Union, Zeugen einer weiteren humanitären Katastrophe
werden. Wieder einmal herrschten Chaos, Ungewissheit und Unsicherheit im eigentlich reichen Osten des Kongo.
Geheimverhandlungen brachten die Wende
Doch während die Vereinten Nationen unter Generalsekretär Bank Ki-Moon und seinem Kongo-Beauftragten Olusegun Obasanjo scheiterten, einigten sich die Regierung Kongos unter Präsident Laurent Kabila und Ruandas unter Paul Kagame in geheimen Verhandlungen auf einen ebenso einfachen wie wirksamen Deal. Während die Kongolesen endlich Ruhe vor Rebellenführer Nkunda und seinen Tutsi-Rebellen bekommen sollten, wurde der ruandischen Armee für kurze Zeit erlaubt, legal in den Osten des Kongo einzudringen, um die flüchtigen Hutu-Rebellen aufzumischen. Die einstigen Rivalen Kagame und Kabila begannen, an einem Strang zu ziehen.
Nun sitzt Rebell Nkunda in einem ruandischen Gefängnis und soll demnächst in die Demokratische Republik Kongo (DRC) ausgeliefert werden, dort wird ihm dann der Prozess wegen Kriegsverbrechen gemacht. Im ostkongolesischen Goma haben seine Generäle unterdessen ihre Waffen abgelegt und einen umfassenden Friedensvertrag unterzeichnet. Die Regierung in Kinshasa hat ihnen erlaubt, Teil der staatlichen Armee zu werden. Die Hutu-Rebellen wurden zurückgedrängt. Kagame und Kabila haben gemeinsam die staatliche Kontrolle über die beiden Provinzen wiederhergestellt.
Druck auf Ruandas wuchs
Die internationale Gemeinschaft ist überrascht, aber erleichtert. Bei einem Besuch in Goma am Wochenende berichtete der UN-Beauftragte für humanitäre Angelegenheiten, John Holmes: "Die Lage scheint sich wirklich zu verändern. Uns stehen ganz neue Möglichkeiten offen." Denn bis vor kurzem noch machte Rebellenführer Nkunda große Sprüche. Der kongolesischen Regierung drohte er, bald in die Hauptstadt Kinshasa einzumarschieren.
Dass er dabei weder legitimiert war, noch die Bevölkerung hinter sich hatte, ignorierte er. Ebenso wie die hunderttausenden Flüchtlinge, die erneute humanitäre Katastrophe und die mangelnde
Ursachenbehebung des seit Jahrzehnten währenden Konfliktes.
Wie kommt es, dass einst so verfeindete Regierungen wie die des Kongo und Ruandas auf einmal an einem Strang ziehen? Wieso gab der Präsident Ruandas Nkunda nun auf? Und wieso verzichtete
die Regierung des Kongo plötzlich auf die territoriale Unversehrtheit?
Der kongolesische Präsident Kabila war geschwächt. Erstens war seine eigene Armee nicht in der Lage im entfernten Osten der riesigen Republik für Ordnung zu sorgen, zweitens wurde ihm
Nkunda mit seiner internationalen Medienpräsenz zunehmend ein Dorn im Auge. Nkunda führte der internationalen Öffentlichkeit einen handlungsunfähigen Präsidenten vor, Wirtschaftsverträge gerieten
ins Stocken, das Pulverfaß Kongo drohte sich erneut zu entzünden.
Und auch der ruandische Präsident geriet zunehmend unter Druck. Immer weitere Dokumente enthüllten, dass er den Rebellen Nkunda im Nachbarland unterstützt hatte. Investitionen in das
boomende Land stockten, auch Kagame verlor dramatisch an Ansehen. Einen Rebellen - wenn auch mit ähnlichen Interessen - zu tolerieren war weder staatsmännisch, noch international anerkannt. Zudem
sahen sich beide Staatschefs dem menschlichen Elend der Bevölkerung ausgesetzt. Nkunda musste also weg, seine Milizen konnten sie über Beteiligungen an der Ausbeutung der reichen Rohstoffe der
Region erkaufen.
Also Ende gut, alles gut?
Die Bewohner der ostkongolesischen Provinzen sind der beste Indikator für eine wirkliche Beruhigung der Lage - und sie trauen dem neuen Frieden noch lange nicht. Zwar ist in der Provinzhauptstadt Goma erst einmal wieder Alltag eingekehrt, die gemeinsame Operation der ruandischen und der kongolesischen Armee hat die Lage beruhigt.
Weiterhin befinden sich jedoch Hunderttausende auf der Flucht. John Holmes, UN-Beauftragter für humanitäre Angelegenheiten, versprach bei einem Besuch in einem Flüchtlingslager im Norden Gomas: "Sobald der Frieden steht, werde wir alles daran setzen, dass sie wieder nach Hause können. Ich will keine Wunder beschwören, aber wir werden es versuchen."
Denn die Rebellen beider Lager werden sich nur so lange zufrieden geben, wie sich der Frieden finanziell lohnt und ihrer Macht Einhalt geboten wird. Die beiden Präsidenten haben zwar eine Wende in dem seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt herbeigeführt, ob sie auch gemeinsam an einer Behebung der Ursachen arbeiten werden, bleibt abzuwarten.
Jérôme Cholet arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten. Themen sind Wahlen, Armut und Entwicklung.
arbeitet als freier Autor mit Schwerpunkt Afrika, Lateinamerika und Naher Osten.