"Den Ärmsten fehlt das Bewusstsein für Klimawandel"
Es ist bemerkenswert, wie sehr sich die deutsche Politik dafür einsetzt, das Thema Klimaschutz auf der globalen Agenda zu halten. Seit 2010 schafft es Deutschland jedes Jahr, Umweltminister und Diplomaten zusammenzubringen mit dem Ziel, eine offene Debatte schon im Vorfeld der UN-Klimakonferenzen zu fördern. Diese Treffen versteht man als „Petersberger Dialog“. Der letzte ist erst vor wenigen Tagen zuende gegangen.
Die Umsetzung der in solchen Gesprächen diskutierten Lösungen verlangt allerdings viel mehr als Diplomatie. Deutschland selbst gab zu, dass das Land sein Klimaziel für 2020 verfehlen wird: eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990.
Alle 35 Länder, die zum Petersberger Dialog eingeladen worden waren, stimmten darin überein, dass die Erderwärmung unbestreitbar ist und dass die globalen CO2-Emissionen dringend reduziert werden müssen. Aber wie verhalten sie sich zu Hause?
Polen, wo die Kohleindustrie zu einem gewissen Teil als der nationalen Identität zugehörig betrachtet wird, bereitet sich darauf vor, die nächste COP in Kattowitz auszurichten.
„Kann die polnische Kohle-Lobby die Klimakonferenz gefährden?“
Noch immer fragen sich Kritiker, ob eine endgültige Abkehr von der fossilen Energie wirklich in einer Region ausgehandelt werden kann, in der die mächtige polnische Kohleindustrie-Lobby unterwegs sein wird.
Es ist erwähnenswert, dass in Kattowitz ein Regelwerk zur Umsetzung des Pariser Übereinkommens beschlossen werden soll.
In Brasilien, das auch Teilnehmer des Petersberger Dialogs war, ist die Situation nicht weniger unangenehm. Im Dezember 2017, nur kurz nach den Klimaverhandlungen in Bonn, hat die brasilianische Regierung ein Gesetz verabschiedet, das Steuererleichterungen für Unternehmen verspricht, die Ölfelder in Küstennähe erschließen. Dies wird ernsthafte ökologische und soziale Folgen haben.
Es wird angenommen, dass die Ausbeutung dieser meernahen Felder 176 Mrd. Barrel Rohöl oder 74,8 Mrd. Tonnen CO2 freisetzt.
„Den Nordosten Brasiliens wird es am stärksten treffen“
Hinzu kommt, dass eine aktuelle Studie belegt, wie das Gesetz, das verabschiedet wurde, um ausländische Investoren anzuziehen und die Ölindustrie zu fördern, die Erhebung von Steuern in den Regionen und Gemeinden negativ beeinflussen wird: Arme Städte im Nordosten Brasiliens werden am stärksten betroffen sein. Dieses Gebiet ist Heimat von 12 Millionen Menschen. Sie sind am anfälligsten für Dürren und für den Klimawandel.
In Berlin forderten die Teilnehmer des Petersberger Dialoges einen gerechten Übergang hin zu einer klimafreundlichen Wirtschaftsweise. Wie kann der Wandel von einer auf fossilen Brennstoffen basierenden Wirtschaft in eine nachhaltige Wirtschaft gelingen? Kann dieser Übergang sozialverträglich erreicht werden? Deutschland hat die Energiewende viel Geld gekostet. Eine Menge Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Der Industriesektor steht unter Druck, seine Emissionen zu senken. Dem Land stehen jedoch die finanziellen Mittel, die Infrastruktur und die Technologien zur Verfügung, um ein totales Chaos zu vermeiden.
„Den Ärmsten fehlt das Bewusstsein für Klimawandel“
In armen Ländern sieht es damit leider schlechter aus. Als brasilianische Umweltjournalistin und Wissenschaftlerin, die auf dem Gebiet der Anpassung an den Klimawandel forscht, sehe ich die am stärksten gefährdeten Menschen in meinem Land um das Überleben kämpfen – in einem sozialen Kontext der Ungleichheit, und ohne Bewusstsein dafür, dass der Klimawandel ihre Leben weiter verschlechtern wird.
Die Regierungen allerdings haben dieses Bewusstsein. Und sie müssen dringend handeln. Emissionen müssen gesenkt und die Regelungen des Paris-Abkommens umgesetzt werden. Finanzielle Mittel müssen jetzt zur Verfügung gestellt werden, wenn Klimapolitik wirklich eine internationale Solidarität widerspiegeln und die Menschen in den Mittelpunkt stellen soll.
Eine Regierung, diese „entfernte und perfekte Sache“, dürfe keine Fehler machen, schrieb der brasilianische Autor Graciliano Ramos in den 1930er Jahren in seinem Buch "Karges Leben". Es beschreibt die Flucht einer Bauernfamilie vor Dürren. Bis zur Erschöpfung wandern sie durch vertrocknetes Land. Nicht perfekt, aber oft immer noch allzu weit entfernt, dürfen Regierungen sich auch heute keine Fehler erlauben.