Das Weimarer Dreieck zwischen Zusammenarbeit und Abgrenzung
Vor 25 Jahren gründeten die drei Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens das Weimarer Dreieck. Aus diesem Anlass lud Frank-Walter Steinmeier jetzt seine beiden Kollegen Jean-Marc Ayrault und Witold Waszczykowski nach Weimar ein.
Neue Herausforderungen für das Weimarer Dreieck
In der zehn Punkte umfassenden „Gemeinsamen Erklärung zur Zukunft Europas“ von 1991 hieß es damals, dass für das Gelingen zukunftsfähiger Strukturen europäischer Nachbarschaft Polen, Deutsche und Franzosen maßgebliche Verantwortung tragen. Die Zusammenarbeit im ‚Weimar-Format’ sollte von vornherein dazu dienen, nicht nur Polen, sondern auch die anderen neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa an die Europäische Gemeinschaft heranzuführen.
Dieses Ziel wurde mit dem Beitritt der meisten mittel- und osteuropäischen Staaten in die Europäische Union im Jahr 2004 erreicht. Heute sieht sich die EU mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert. Diese wirken sich auch auf die Zusammenarbeit im Weimarer Dreieck aus.
Warschau setzt auf Abgrenzung vom Westen
Ob der Russland/Ukraine-Konflikt, der Bürgerkrieg in Syrien oder die Flüchtlingskrise: Alle genannten Faktoren haben in den letzten Jahren das politische Handeln der EU und ihrer Mitgliedstaaten wesentlich bestimmt. Hinzu kommt, dass wir es seit dem Regierungswechsel in Polen mit einer Regierung zu tun haben, die einer weiteren Vertiefung der europäischen Integration ablehnend gegenüber steht und stattdessen den Akzent auf eine Stärkung des Nationalstaats legt.
Dies wirkt sich zwangsläufig auch auf die Zusammenarbeit innerhalb des Weimarer Dreiecks aus. Statt sich gemeinsam mit Deutschland und Frankreich für mehr Integration zu engagieren, strebt Warschau verstärkt danach, sich als Sprecher der mittel- und osteuropäischen Staaten von seinen beiden westlichen Nachbarn abzugrenzen. Das ursprüngliche Ziel der Gründerväter des Weimarer Dreiecks – ein einheitliches Europa – rückt damit wieder in weite Ferne.
Gemeinsame Politik stärken
Dennoch sollte man das Instrument des Weimarer Dreiecks nicht einfach aus der Hand geben, sondern versuchen, ihm neues Leben einzuhauchen. Zunächst einmal könnte das Weimarer Dreieck als Plattform für gegenseitige Vertrauensbildung der drei Länder genutzt und ausgebaut werden. In den wichtigsten außen- und sicherheitspolitischen Fragen gibt es eine übereinstimmende Analyse der drei Staaten. So übermittelten die drei Außen- und Verteidigungsminister im März 2015 der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Verteidigungspolitik, Federica Mogherini, gemeinsame Vorschläge für eine Stärkung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Um die Schnelligkeit und Effizienz europäischen Handelns zu erhöhen, könnte man die Einrichtung eines dauerhaften sicherheitspolitischen Dialogs in Erwägung ziehen – nicht zuletzt mit dem Ziel, schnell auf aktuelle Krisen abgestimmt reagieren zu können.
Auch über die Möglichkeit, Großbritannien partiell in das Weimarer Dreieck einzubeziehen, lohnt es sich nachzudenken. Denn die EU steht vor der Herausforderung, mit Großbritannien nach seinem Austrittsbeschluss auch im Bereich der Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik weiterhin kooperieren zu müssen. Hier könnte das Weimarer Dreieck eine verbindende Rolle spielen. Auf lange Sicht wäre eine engere Abstimmung zwischen Deutschland, Polen und Frankreich zu den wichtigsten Zukunftsthemen der EU erstrebenswert. Mit annähernd 185 Mio. Einwohnern stellen die drei Länder zusammen bereits heute 37 Prozent der EU-Einwohner, nach dem zu erwartenden Austritts Großbritanniens sogar 43 Prozent.
Unterschiedliche Interessen und Prioritäten
Auch wenn es bislang nicht danach aussieht, dass man die jeweiligen Interessen und Prioritäten auf den Feldern der Migrations- und Asylpolitik, der Wirtschafts- und Währungsunion sowie der Gestaltung einer kohärenten Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik unter einen Hut bekommt: Das Format Weimarer Dreieck kann und sollte zur Schlichtung und Lösung grundlegender politischer Konflikte innerhalb der EU beitragen sowie Impulse für die weitere Entwicklung der EU geben.