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Das große Bangen der Beschäftigten

von Dietrich Jörn Weder · 10. Juni 2009
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Schuld trifft auch die Manager des Versand- und Warenhauskonzerns, die das Unternehmen viele Jahre schlecht geführt und schließlich schändlich heruntergewirtschaftet haben.

Kann man es den Beschäftigten verdenken, wenn sie für ihr Unglück auch die regierende Koalition verantwortlich machen, die ihnen in der Not nicht beigestanden ist? Die Regierung macht den Betroffenen Hoffnung, dass sich mit dem Mittel der Insolvenz viele Arbeitsplätze erhalten und sogar sichern lassen. Doch solche vagen Versprechen wird das bangende Personal an nichts anderem als am Ergebnis messen.

Nur zu häufig haben die Arbeitnehmer die Erfahrung gemacht, dass Gläubiger und Interessenten ihre insolventen Unternehmen nach Belieben fleddern und auseinander nehmen. Solche sitzen im Falle Arcandor schon länger auf den umliegenden Dächern, um sich auf das fallende Wild herabzustürzen und es auszuweiden. Es mag sein, dass sich REWE das profitable Reiseunternehmen Cook schnappt, dass sich der Versandhändler Otto Karstadt-Sport sowie einige Spezialversender einverleibt und dass sich schließlich Metro ein paar Dutzend attraktive Warenhäuser aus der Konkursmasse herauspickt. Wehe nur denen, für die sich bei dieser Auktion kein Bieter findet! Das Schicksal der 74 aus dem Konzern ausgegliederten und bald darauf zahlungsunfähigen Hertie-Kaufhäuser lässt grüßen. Welches gefundene Fressen für den Rest der Branche, wenn ein so etabliertes und von den Kunden geschätztes Versandhaus wie Quelle untergeht!

Riesenpleite - eine Wendemarke für die Politik

Die Riesenpleite von Karstadt-Quelle ist auch für die Politik eine Wendemarke. Bei vielen Firmen und ihren Belegschaften schwindet nun die Hoffnung, dass ihnen die Regierung über den krisenbedingten Auftragseinbruch und die allgemeine Flaute hinweghilft. Die nur zeitweilig etwas kleinlauten marktradikalen Wirtschaftskommentatoren großer Blätter jubeln, dass die Regierung ihre Bedenken gegen staatliche Firmenstützungen beherzigt hat. Die sozialdemokratische Niederlage bei der Europa-Wahl deuten sie dahin, dass die Wähler kein Steuergeld für die Rettung wankender Unternehmen geopfert sehen wollen. Selbst die in die Wege geleitete Opel-Sanierung stellen sie nun von neuem in Frage. Ob freilich Opel ohne Insolvenz am Ende besser fährt als Karstadt mit Insolvenz, das wird erst der Fortgang der Dinge erweisen.

Fortführung oder Zerstückelung?

Der bisher größte Konkurs in der Geschichte der Bundesrepublik wird den erfahrenen Insolvenzverwaltern hoffentlich die Gelegenheit geben, die viel zu hohen Mietforderungen der Eigner der Kaufhaus-Immobilien auf ein tragbares Maß herunterzudrücken.

Möglicherweise werden auch die übrigen Gläubiger des Konzerns, allen voran die Banken, einsehen, dass sie mit dem Erhalt des Unternehmens besser fahren als mit seiner eiligen Zerstückelung nach dem Motto "wer zuerst kommt, mahlt zuerst". Dass der vor einem halben Jahr ausgeschiedene Karstadt-Chef Thomas Middelhoff nicht nur alle Kaufhaus-Immobilien verkauft hat, sondern auch selber an solchen beteiligt ist, wirft überdies Fragen auf, die nach Antwort schreien.

Es ist zu hoffen, dass die Insolvenzverwalter das Bestmögliche für die Beschäftigten herausholen. Für zukunftsfähige, verselbständigte Unternehmensteile könnte die öffentliche Hand dann sehr wohl doch noch mit Bürgschaften einspringen. Die wieder erstarkende Fraktion der Marktgläubigen in Deutschland hält es dagegen für richtig, dass sich die Krise ohne staatliche Einmischung ihre Opfer holt. Sie sieht darin eine heilsame Marktbereinigung so ähnlich wie auch die Natur in Notzeiten kranke und schwache Tiere zugrunde gehen lässt.

Naturgesetze kontra Solidarität?

Die Regierungsparteien, allen voran die Sozialdemokraten, müssen sich allerdings fragen, ob sie in der schärfsten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit nicht andere Regeln gelten lassen: Kann man so viele von Entlassung bedrohten Arbeitnehmer im Regen stehen lassen und ist für ihr Tun nicht nach der Krise doch wieder Bedarf? Um im Bilde zu bleiben: In einem Jahrhundertwinter kann eine Notfütterung für das darbende Wild sehr wohl sinnvoll sein. Für die Jäger ist diese Investition in jedem Falle lohnend. Sollte das für den Fiskus anders sein?

Der Dichter Hermann Hesse sagt: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Der Noch-Vorstandsvorsitzende von Arcandor Karl-Gehrhard Eick dreht dies um und sagt: In jedem Ende liegt die Chance für einen neuen Anfang. Möge er recht haben.

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Dietrich Jörn Weder

ist freier Journalist und Buchautor.

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