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Countdown fürs Klima: Worum es in Paris geht

Ab heute wird in Paris über ein neues globales Klimabkommen verhandelt. Es soll ab 2020 gelten und das Kyoto-Protokoll ablösen. Ziel ist, die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad gegenüber vorindustriellen Temperaturen zu begrenzen. Wird das gelingen?
von Klaudia Starke · 30. November 2015
Train to Paris
Train to Paris

Bereits vor sechs Jahren kam die internationale Staatengemeinschaft in ähnlicher Absicht wie jetzt in Paris zusammen. „Welcome to Hopenhagen“ hieß es 2009 auf Plakaten in der dänischen Hauptstadt.  Die  Hoffnung auf ein globales Klimaabkommen versank damals jedoch im Desaster. Erst ganz zum Schluss trafen die Staatoberhäupter ein, um über einen unleserlichen Vertragsentwurf zu entscheiden.

In Paris wird es anders sein. Nach einem Jahr intensiver internationaler Diplomatie werden fast alle Regierungschefs der beteiligten Länder ihren Verhandlungsführern gleich zu Anfang die Spielräume bei der Ausformulierung des jetzt noch 50 Seiten starken Texts aufzeigen. Jeder von ihnen wird heute eine persönliche Erklärung abgeben.

Selbstverpflichtung statt starrer Vorgaben

Das Ringen um ein Abkommen steht außerdem auf neuer Grundlage. Statt eine starre, von oben gegeben Vorgabe von Einsparzielen anzupeilen, setzte man auf die Selbstverpflichtung von Staaten. „Wir haben anerkannt, dass viele Staaten es nicht mitmachen werden, einen Top-Down-Prozess zu akzeptieren“, sagte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth schon im Oktober in der Bundespressekonferenz.

Flasbarths Chefin, Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, die am Samstag zusammen mit rund 300 Fahrgästen mit eine Sonderzug nach Paris reiste, ist deshalb optimisch: „Es liegt noch harte Arbeit vor uns. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir mit der notwendigen Vernunft und der notwendigen Empathie das erreichen, was wir für das Wohl unseres Planeten für die Zukunft brauchen.“

Hendricks baut dabei auf eine Reihe positiver Weichenstellungen der vergangenen Monate. Ein wichtiges Signal sei beispielsweise vom G7-Gipfel in Elmau ausgegangen, bei dem die „Dekarbonisierung“ der Weltwirtschaft im Lauf dieses Jahrhunderts versprochen wurde.  Außerdem hätten mehr als 170 Staaten ihre freiwilligen Beiträge angemeldet. „Mit Brasilien stellt sich zum ersten Mal ein Schwellenland das Ziel der Dekarbonisierung.“ Damit, so Barbara Hendricks, sei ein neuer Ansatz gefunden, „um den lähmenden Gegensatz zwischen Industrie- und Schwellenländern zu überwinden.“

Neue Positionen im Verhandlungspoker

Bereits im November vergangenen Jahres hatten sich die USA und China auf gemeinsame Emissionsreduktionen geeinigt. Dies war ein besonderer Schritt für China, das den Industrieländern zum ersten Mal Treibhausgaseinsparungen anbot. Noch in Kopenhagen hatte das Land der Mitte auf seinem Status als Entwicklungsland beharrt, auch wenn es bereits zum größten Treibhausgasverursacher weltweit geworden war.

Im Gegensatz dazu sieht Bill Hare vom Institut „Climate Analytics“ heute eine „fundamental veränderte politische Landschaft“. Der Wissenschaftler begreift die USA und China als wichtigste Treiber in den Verhandlungen. Um der Welt „eine starke Botschaft zu übermitteln“, wie der US-amerikanische Sicherheitsberater Ben Rhodes gegenüber Reuters betonte, wird sich Barack Obama am Montag mit Chinas Präsident Xi Jinping und mit Indiens Präsident Narendra Modi zusammensetzen. Ob Indien im Pokerspiel der Verhandlungsgruppen seine potentielle Bremserfunktion jedoch aufgibt, ist ungewiss.

Die Verhinderer und weitere Stolpersteine

Eindeutig kontraproduktiv dagegen agieren bisher die Erdöl produzierenden OPEC-Staaten, allen voran Saudi-Arabien. Das Königreich plant Treibhausgasminderungen auf der Grundlage „stabiler Öl-Exporteinnahmen“, wie es im eingereichten Klimaplan heißt. Im Vordergrund steht die Absicherung eigener ökonomischer Interessen. Dies gilt im Übrigen für alle Länder, die ihr Wirtschaftswachstum immer noch von fossilen Brennstoffen abhängig machen. Sie bilden Verhandlergruppen, die für ihr Recht auf Verschmutzung kämpfen. Daraus erwächst trotz aller positiven Signale eine große Bürde für Paris.

Ein weiterer Stolperstein sind die geplanten Klimaschutzbeiträge der Staaten. Nach Schätzungen mehrerer Institute reichen die eingereichten Selbstverpflichtungen grob gerechnet für einen 3-Grad-Pfad – was zu wenig wäre, um den Klimawandel abzuwenden. Außerdem müssten nicht zwei, sondern eigentlich 1,5 Grad die Meßlatte sein. „Das Zwei-Grad-Ziel beruht auf wissenschaftlichen Grundlagen, die sich inzwischen weiterentwickelt haben,“ sagt Carl Schleussner von Climate Analytics.

Während also in den kommenden zwei Wochen zäh um jede Formulierung gerungen werden wird, stellt sich gleichzeitig die Frage, ob es sich hier nicht um vergebliche Anstrengungen handelt. Jürgen Meier vom Forum Umwelt und Entwicklung bringt eine weitverbreitete Stimmung auf den Punkt. Er spricht von der „Scheinrealität der Verhandlungen“. Der Klimawandel sei so nicht zu begrenzen.

Die Frage nach dem Sinn von Paris

Welchen Sinn haben also die Verhandlungen von Paris? Blickt man auf die aktuelle Situation in der französischen Hauptstadt, begegnet man überall den Folgen der Terroranschläge vom 13. November. Christoph Bals von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch erinnert deshalb daran, dass ein erfolgreiches Abkommen die „Handlungsfähigkeit der UN“ betonen würde. Paris könne ein „Symbol für Kooperation und Transformation statt von Hass und Zerstörung“ werden.

Wahrscheinlich wird man das Verhandlungsergebnis in zwei Wochen also noch gar nicht abschließend beurteilen können. Stattdessen wird es sich einerseits als wichtig erweisen, dass die Staaten gerade jetzt unter dem Zeichen der Klimarahmenkonvention zusammenfinden. Andererseits kann darauf vertraut werden, dass aufgrund des bisher aufgebauten Drucks ein Prozess zum Ausstieg aus der fossilen Wirtschaftsweise in Gang kommt.

In den kommenden zehn Jahren könnte aus dieser Dynamik von unten eine überprüfbare Beschleunigung der Klimaschutzanstrengungen entstehen. Erst dann würde sich „die Relevanz einer Dekarbonisierungsstrategie für die Entschärfung aktueller und potentieller Krisen“ zeigen, wie es laut Germanwatch bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Frühjahr hieß. Voraussetzung dafür ist eine Einigung in Paris – eine Einigung auf die nötige Finanzierung von Anpassungsstrategien sowie auf eine Entschädigung von klimabedingten Zerstörungen und Verlusten.

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Klaudia Starke

ist freie Journalistin.

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