Corona: Warum Österreich jetzt auf die Impfpflicht setzt
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Es ist gerade einmal ein Jahr her, da haben auch in Österreich alle sehnsüchtig auf die Corona-Impfung gewartet. Populist*innen und Rechtsextremist*innen, etwa der Freiheitlichen Partei, haben zwar Fake-News über Covid-19 in die Welt gesetzt und alle Anti-Pandemie-Maßnahmen sabotiert, aber damals noch der Regierung vorgeworfen, sie würde nicht schnell genug die Impfung zu den Menschen bringen. Skurril: Im Frühjahr 2020 geißelten die Rechtsextremen die Regierung noch dafür, nicht früh genug einen Lockdown verhängt zu haben. Stur ist man im Dagegensein, aber höchst flexibel dabei, wogegen man gerade dagegen ist.
Kaum kam die Impfkampagne in Schwung, wurde auch diese sabotiert, es wurden von allen Seiten schwindelige Schreckensgeschichten gestreut, dass die Impfung nicht wirke, fürchterliche Auswirkungen hätte, nicht ausreichend lange an Menschen getestet wäre. Im Internet machte die Runde, sie würde unfruchtbar machen, und besonders drollige Kerle behaupteten sogar, diese Unfruchtbarkeit würde man auch noch auf seine Kinder vererben. Der freiheitliche Hetzmeister Herbert Kickl empfahl zuletzt sogar ein Pferdeentwurmungsmittel gegen Covid-19. Mittlerweile liegen einige Menschen mit Vergiftungen auf der Intensivstation.
Ungebremst in die Katastrophe
Die Impfsaboteure haben ganze Arbeit geleistet. Bis in den Oktober waren nur knapp 64 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher geimpft. Rund 25 Prozent waren freiwillig ungeimpft – Kinder unter 12 Jahren konnten sich zum überwiegenden Teil ja noch keine Impfung holen. Zugleich wurden keine nennenswerten Vorsichtsmaßnahmen durch die Regierung – bis Oktober unter Sebastian Kurz, danach unter seinem Nachfolger Alexander Schallenberg – ergriffen. In Bundesländern wie Oberösterreich (hier regiert die Volkspartei sogar in einer Koalition mit den Entwurmungsfetischisten von der FPÖ) und Salzburg explodierten die Zahlen, man sah sogar noch zu, als klar war, dass das Gesundheitssystem kollabieren würde. Faktisch ungebremst raste das Land in die Katastrophe, selbst in den Bundesländern mit vorbildlicher Anti-Pandemie-Politik stiegen die Zahlen an. Die Inzidenzen lagen auch in Wien bei rund 600, während sie in Oberösterreich schon Richtung 2000 kletterten.
Während laute Agitator*innen und Verschwörungsgläubige gegen die Impfung wetterten, wuchs auch die Wut und der stille Groll der Mehrheit, derer, die sich an Anti-Pandemie-Maßnahmen hielten, die sich impfen ließen, die auch zur Auffrischung gingen. Während die Mehrheit empfindet „jetzt müssen wir wegen einer Minderheit an Spinnern wieder in einen Lockdown“ ruft die Minderheit, „wir wollen uns kein Gift in den Oberarm spritzen lassen“.
Lockdown und Impfpfliicht
Mit der Eskalation der Infektionszahlen und der Gefahr von Zuständen wie in Bergamo 2020 mussten Regierung und Landeshauptleute die Notbremse ziehen – sie verhängten einen allgemeinen, bundesweiten Lockdown und beschlossen zugleich eine Impfpflicht ab 1. Februar 2022. Beide Beschlüsse hängen kausal zusammen: Die Verpflichtung aller auf einen neuen Lockdown kann nur gesellschaftliche Zustimmung bei der Mehrheit finden, wenn die empfundene Obstruktion durch die Minderheit beendet wird. Die Impfpflicht dient insofern dazu, die gesellschaftliche Legitimation für einen Lockdown noch einmal abzusichern.
Rechtlich wäre das natürlich noch keine hinreichende Begründung, aber eine obligatorische Impfung ist auch sachlich gerechtfertigt, da eine zu geringe Impfquote (mittlerweile sind 70 Prozent erreicht), immer neue Infektionswellen nach sich ziehen würde und damit massive Schäden für die Allgemeinheit, vom Gesundheitssystem, das die Belastungsgrenzen überschreitet bis zu den sonstigen gesellschaftlichen Kosten. Der Achtung der Freiheit der Minderheit, keiner Impfpflicht zu unterliegen, stehen die massiven freiheitseinschränkenden Folgen für die Gesamtheit der Bevölkerung gegenüber. Diese Abwägung zwischen zwei Übeln macht die Impfpflicht auch rechtlich wasserdicht. Dass sie verfassungsrechtlich begründbar ist, daran hat praktisch kein namhafter Jurist Zweifel.
Was Impfverweiger*innen droht
Dennoch gibt es Kritik, nicht nur von den Impfgegner*innen und den üblichen verdächtigen Polit-Agitator*innen. Eine Pflicht würde die Gesellschaft weiter spalten, so ein Einwand, positive Bewerbung und sonstige Anreize wären besser. Menschen zu etwas zu verpflichten, wovor sie – und sei es aus noch so irrationalen Gründen – Angst haben, sei keine schöne Sache. Und außerdem: Was genau soll die Konsequenz für Impfverweigerer sein? Eine empfindliche Geldstrafe? Ersatzfreiheitsstrafe bei Nicht-Bezahlung? Oder langfristiger Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben oder auch vom Arbeitsleben?
Letztendlich wird es auf eine Geldstrafe hinauslaufen. Seinerzeit, als noch Impfpflicht gegen die Pocken bestand, gab es eine Verwaltungsstrafe von – umgerechnet auf heutige Kaufkraft – 1200 Euro. Dass die Strafe besonders konsequent verhängt wurde, darauf deutet wenig hin. Letztlich haben sich die allermeisten Menschen an die Impfpflicht gehalten, und bei dem kleinen Rest hat man die Augen zugedrückt.
Wie genau die Regelung diesmal ausgestaltet sein wird, ist noch unklar. Aber man darf damit rechnen, dass die Impfquote durch eine Pflicht sich deutlich nach oben bewegen – und bei der juristischen Durchsetzung derselben dann eine der üblichen schlampigen österreichischen Lösungen praktiziert werden.