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Corona in Portugal: Warum das Land gut durch die Krise kommt

Anders als sein großer Nachbar Spanien kommt Portugal bislang gut durch die Corona-Krise. Sozialdemokrat Costa hat früh den Ausnahmezustand verhängt. Mit seiner liberalen Flüchtlings- und Migrationspolitik sorgte er europaweit für Aufsehen.
von Reinhard Naumann · 15. April 2020
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Die sozialistische Regierung Portugals stemmte sich schon früh gegen die Ausbreitung des Corona-Virus. Am 19. März wurde der nationale Ausnahmezustand verhängt, der das Recht auf Bewegungsfreiheit stark einschränkt und der neben der Schließung der Schulen auch die Einstellung des Betriebes aller Kultur-, Freizeit- und Sporteinrichtungen sowie Gaststätten erzwang. Inzwischen wurde diese Einschränkung der Bewegungsfreiheit nochmals verschärft, um der Ausbreitung des Virus im Zuge der Osterfeiern entgegenzuwirken. 

Große Mehrheit befürwortet Ausnahmezustand

Für internationale Aufmerksamkeit hat der Umgang mit Migrant*innen und Flüchtlingen gesorgt. Am 27. März erließ die Regierung ein Dekret zur Legalisierung des Status aller Immigrant*innen, Flüchtlinge und Asylbewerber*innen, die vor der Verhängung des Ausnahmezustands einen Antrag auf Aufenthaltsrecht bzw. Asyl eingereicht hatten. Der Nachweis der Antragstellung wird von den Behörden als gültiger Aufenthaltstitel anerkannt. Er gewährt die Inanspruchnahme des Nationalen Gesundheitsdienstes und der Leistungen der staatlichen Sozialversicherung. Die Antragsteller*innen sind außerdem dazu berechtigt, Arbeitsverträge zu schließen, Wohnungen zu mieten, Bankkonten zu eröffnen und Verträge über grundlegende Dienstleistungen wie Wasser und Strom zu schließen. Diese Maßnahme steht im Einklang mit der seit der 1990er Jahren geltenden Einwanderungs- und Integrationspolitik der Sozialistischen Partei, die im Wesentlichen vom liberalkonservativen Staatspräsidenten mitgetragen wird.  

Die Entscheidung über die Verhängung des Ausnahmezustandes wurde über Parteigrenzen hinweg einvernehmlich vom Staatspräsidenten, der sozialistischen Regierung und dem Parlament getroffen. Auch die überwiegende Mehrheit der Sozialpartner*innen unterstützte den Schritt in einer gemeinsamen Erklärung. Umfragen zufolge befürwortet die große Mehrheit der Bevölkerung sowohl den Ausnahmezustand als auch die konkreten Maßnahmen gegen das Virus. Die Wachstumsrate der Zahl der Neuinfizierten konnte stetig gesenkt werden und liegt seit Anfang April unter 10 Prozent. Die Gesamtzahl der Infizierten beträgt 13.141, die Zahl der Toten liegt bei 380 (Stand 8.4.2020). Allem Anschein nach ist es Portugal also gelungen, eine Katastrophe wie in Spanien oder Italien abzuwenden.

Costa fordert europäische Solidarität

Nun steht die Frage der europäischen Solidarität auf der Tagesordnung. Der in den vergangenen zehn Jahren unter großen Opfern stabilisierte Staatshaushalt kann die nötigen Mittel zur Bewältigung der Folgen der wirtschaftlichen Lähmung – Pleitewelle, Arbeitslosigkeit und massenhafte Kurzarbeit – nur kurz aufbringen. 

Bei der Videokonferenz des Europäischen Rates am 26. März gehörte Premierminister António Costa zu denen, die eine starke solidarische Reaktion der EU auf die Corona-Krise einforderten. Wenige Tage vor der Konferenz hatte Costa seine Position im portugiesischen Parlament folgendermaßen umrissen: Die EU müsse „den asymmetrischen Auswirkungen“ der durch die Pandemie verursachten Krise entgegenwirken. Das 37-Milliarden-Paket der EU, die Suspendierung der 3 Prozent-Neuverschuldungsgrenze und das Eingreifen der EZB gegen das Risiko einer neuen Staatsschuldenkrise seien nicht ausreichend. Es werde dringend Geld benötigt, um die explodierenden Kosten der Pandemie zu decken. „Dies ist ein gemeinsames Problem für die gesamte EU, und deshalb brauchen wir eine gemeinsame Antwort der gesamten EU.“ Konkret forderte Costa ein „großes Investitionsprogramm auf europäischer Ebene“ und die Schaffung sogenannter Corona-Bonds, um die Länder in einem Kontext steigender Staatsverschuldung nicht isoliert dem Misstrauen der Märkte auszuliefern. 

„Diese Äußerungen sind abscheulich“

Im Anschluss an die Videokonferenz zeigte sich António Costa enttäuscht von dem Ergebnis. Darauf angesprochen, dass der niederländische Finanzminister Wobke Hoekstra eine Untersuchung gefordert hatte, warum einige Länder nicht über ausreichende finanzielle Kapazitäten verfügen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise zu bewältigen, reagierte António Costa in einem ungewohnt scharfen Ton: „Diese Äußerungen sind abscheulich. ... Wenn ein EU-Land glaubt, das Problem dadurch zu lösen, dass es dem Virus in anderen Ländern freien Lauf lässt, hat es nicht verstanden, was die EU ist. Diese immer wiederkehrende Kleinlichkeit untergräbt die EU. Wenn die Union überleben will, darf sie solche Äußerungen nicht zulassen.“ 

António Costa wird die traditionell konstruktive Rolle des Landes in der EU sicherlich beibehalten. Es wird aber deutlich, dass auch der „europäische Musterknabe“ Portugal von den wohlhabenderen Mitgliedsländern solidarisches Handeln einfordert, das nicht mit Zwangsmaßnahmen verbunden ist, wie sie den Interventionsländern von der Troika in der Eurokrise auferlegt wurden.

Erschienen am 9. April im IPG-Journal.

Autor*in
Reinhard Naumann

ist seit 1996 Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Portugal.

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