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Corona in Portugal: Mit hartem Lockdown die dritte Welle gebrochen

Die dritte Welle der Corona-Pandemie hat Portugal mit voller Wucht getroffen. Portugiesische Emigrant*innen brachten die britische Virus-Mutation ins Land. Doch durch einen harten Lockdown entspannt sich die Lage allmählich wieder, berichtet Reinhard Naumann von der Friedrich-Ebert-Stiftung.
von Jonas Jordan · 8. Februar 2021
Mit einem harten Lockdown hat Portugal die dritte Welle der Corona-Pandemie gebrochen.
Mit einem harten Lockdown hat Portugal die dritte Welle der Corona-Pandemie gebrochen.

Portugal gehört aktuell zu den Ländern mit den höchsten Inzidenzwerten weltweit. Wie kam es dazu?

Im März/April vergangenen Jahres hat Portugal die erste Welle mit relativ wenigen Fällen im Vergleich zu Spanien und Italien gut gemeistert. Die Regierung war durch die dramatischen Ereignisse in Italien und Spanien gewarnt und verhängte ab Mitte März einen harten Lockdown, und die Bevölkerung zog mit. Die zweite Welle im Oktober/November war ein ganzes Stück härter, aber im normalen europäischen Durchschnitt. Nach Neujahr kam die dritte Welle, die richtig außer Kontrolle geraten ist. Es gab über einen längeren Zeitraum mehr als 15.000 Neuinfektionen pro Tag – auf die Bevölkerung Deutschlands hoch gerechnet wären das etwa 120.000 Fälle täglich.

Der starke Anstieg ist auch auf die britische Virus-Mutation zurückzuführen. Warum hat sich diese gerade in Portugal so stark verbreitet?

Zum einen haben die Portugiesen Kneipen, Cafés und Restaurants nicht geschlossen. Das ist natürlich das Ambiente, in dem die Leute ihre Masken absetzen, ausgelassen miteinander reden und sich gegenseitig anstecken. Zum anderen leben und arbeiten viele Portugiesen in Großbritannien, und bei ihren Familienbesuchen über Weihnachten brachten diese Emigranten das mutierte Virus nach Portugal mit.

Hat sich die Lage wieder etwas entspannt?

Die Lage ist noch dramatisch, aber man merkt die Wirkung des Lockdowns. Nachdem die Regierung um den 20. Januar einen harten Lockdown verhängt hat, sind wir nun bei etwa 3.000 neuen Fällen pro Tag. Es scheint gelungen, die Kurve mit aller Gewalt herunterzubiegen.

Das heißt, die Cafés und Restaurants sind inzwischen geschlossen?

Ja, die Cafés und Restaurants, der Einzelhandel, alles, was in dieser Lage nicht absolut nötig ist, wurde auch geschlossen. Das ist ein ziemlich harter Schlag für die Wirtschaft. Auch der Tourismus ist momentan völlig am Boden. Aber so könnten wir die Lage wieder in den Griff bekommen, nachdem sich in den letzten Tagen die Ambulanzen vor den Krankenhäusern in Schlangen anstellen mussten, um Patienten einzuliefern.

Zur Unterstützung des Gesundheitssystems hat unter anderem die Bundeswehr Kräfte entsandt. Macht sich das positiv bemerkbar?

Die Gesundheitsministerin Marta Temido, die ich sehr schätze, hat gesagt: Es mag geringfügig erscheinen, was an Personal gekommen ist, aber es ist sehr viel wert. Die Teams werden alle in einem Privatkrankenhaus eingesetzt, in dem extra ein Teil zur Behandlung von Covid-Patienten reserviert wurde.

Wie bewerten Sie das Regierungshandeln insgesamt?

Das Gesundheitsministerium hat nach meinem Eindruck mit einem nationalen Gesundheitssystem, das zu 100 Prozent aus Steuern finanziert und eher bescheiden ausgestattet ist, einen guten Job gemacht. Es biegt und bricht an allen Ecken und Enden, aber das übervolle Schiff hat diesen jüngsten Sturm heile überstanden. Es ist nicht zu einem Katastrophenfall wie in Madrid oder Bergamo gekommen. Das hat sehr viel damit zu tun, dass das Ministerium sich klug und weitsichtig auf eine solche Situation eingestellt hat.

Was kann Deutschland aus Portugals Erfahrungen lernen?

Ich habe den Eindruck, dass Deutschland die Pandemie bislang gar nicht so schlecht gemeistert hat. Wenn ich mir die Landkarte mit den grauen, gelben, orangen und tiefroten Zonen anschaue, sieht das heute viel besser aus als noch vor ein paar Wochen. Mit den Impfungen läuft es nicht so gut, aber das kriegen sie auch noch in den Griff. Ich habe wirklich den Eindruck, dass die öffentliche Meinung in Deutschland viele Sachen sehr runterredet – gerade aus der Entfernung betrachtet. Was die Portugiesen relativ gut gemacht haben, ist eine politische Konsensbildung über die entscheidenden Maßnahmen. Die sozialistische Regierung und der liberal-konservative Staatspräsident arbeiten durchgehend sehr gut zusammen.

Wie sieht es mit den Corona-Impfungen aus?

In Portugal bestimmen kleine Neidfälle die Debatte, zum Beispiel dass der Vorsitzende einer Sozialeinrichtung sich und seine Familie hat impfen lassen. Über die Grundsatzfrage, wie es insgesamt mit dem Impfen vorangeht, wird gar nicht groß diskutiert. Denn anscheinend läuft alles nach Plan. Der Premierminister hat vergangene Woche gesagt: Wenn die Umsetzung weiter läuft wie bisher und die Lieferung der Impfstoffe klappt, können bis Ende des Sommers 70 Prozent der Bevölkerung geimpft werden.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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